Der Dünndarm des Pferdes

Im Bild der dem Magen nachgelagerte Dünndarm. Grafik: Alexander Oblap

Grundlagen

Der Dünndarm „genießt“ leider beim Pferd, weil er eher selten offensichtlich krank wird (wenn dann allerdings oft lebensbedrohlich), im Vergleich zum Dickdarm und dem Magen, relativ wenig publizistische Aufmerksamkeit. Dabei ist der Dünndarm der Ort der eigentlichen Verdauung, d. h. von Nährstoffabbau und Nährstoffaufnahme. Im Dickdarm übernehmen später nur noch Bakterien den Nährstoffabbau der Fasern, sowie der Dünndarmverdauung entgangener Nährstoffe, wie beispielsweise Fruktan und praecaecal nicht verdauliches Eiweiß.

Eiweiß, Zucker, Stärke, Fette, Mineralien, sie alle werden in diesem 17-28 m langem Darmteil zu kleinsten Bruchstücken abgebaut und im Idealfall gemeinsam mit Vitaminen auch direkt dort aufgenommen. Denn was der Dünndarm nicht abzubauen vermag, gerät automatisch in den Dickdarm und führt dann dort aufgrund damit verbundener Auswirkung auf die Darmflora mitunter zu erheblichen Problemen.

Der Dünndarm ist also der Ort, an dem Außenwelt (Nahrung) mit der Innenwelt (Aufnahme in Form von Nährstoffbausteinen zur Energiegewinnung und Zellaufbau/-erneuerung im Körper) erstmalig zusammen treffen.

Kein Wunder ist es deshalb, dass in der Nähe der Därme die meisten immunkompetenten Zellen des Körpers stationiert sind, denn so können unerwünschte Stoffe direkt an Ort und Stelle neutralisiert werden.

Die Dünndarmschleimhaut hat somit die doppelte Funktion, unerwünschte Stoffe abzuwehren und gleichzeitig lebenswichtige Nährstoffe aufzunehmen.

Für die Aufnahme von Nährstoffen ist sie mit zahlreichen Einkerbungen (Darmkrypten) und Erhebungen (0,5-1 mm hohen Darmzotten) ausgestattet. Letztere tragen zum Inneren des Darmrohrs hin zusätzlich noch einen Bürstensaum (Mikrovilli), was alles zusammen die Oberfläche des Dünndarms zur Abgabe von Verdauungssäften sowie Aufnahme von Nährstoffen enorm vergrößert. Von den Darmeigendrüsen und Submukosadrüsen werden pro Tag rund 2-4 Liter pro 100 kg Körpergewicht Darmsaft gebildet, was den Nahrungsbrei (gemeinsam mit dem Saft der Bauchspeicheldrüse und der kontinuierlich von der Leber abgegebenem Gallensaft) flüssiger und damit für die Verdauungsenzyme leichter durchdringbar werden lässt. In Zellen der Dünndarmschleimhaut sind zusätzlich zu den Enzymen aus Pankreassaft und Gallensaft, noch eigene Verdauungsenzyme lokalisiert (Disaccharidasen, Maltase zum Stärkeabbau, Di- und Tripeptidasen) die Nährstoffe wie Zucker, Stärke und Eiweiß zerlegen und deren Endprodukte dann von der Schleimhaut aufgenommen werden können.

Beim Menschen rechnet man bei einer Dünndarmlänge von 3-5 m mit einer damit erreichten Oberfläche von etwa einem Fußballfeld. Bei einer Gesamtlänge von 17-28 m Dünndarm und mit einem Durchmesser von 50-70 mm beträgt die Gesamtoberfläche beim Pferd die Ausdehnung etlicher Fußballfelder.

Die mit ihren Darmzotten und Darmkrypten riesige Oberfläche der Dünndarmschleimhaut wird von einer Muzinschicht schützend abgedeckt, die, gemeinsam mit zwischen den zylinderförmigen eingelagerten Eiweißen, von zentraler Bedeutung für die Integrität der Darmwand ist und auf eine intakte (aerobe) Dünndarmflora angewiesen ist.

Diese Schleimhaut insbesondere bei Futterumstellungen zu schützen und bei Kontakt mit Pathogenen (seien es Toxine oder Keime) mit den richtigen Maßnahmen zu entlasten und zu unterstützen, ist sinnvoll. Die Flora und Schleimhaut in Balance zu halten stärkt zudem das Immunsystem bzw. verhindert dessen extreme Aktivierung, da weder fremdartige, und damit für das Immunsystem abwehrwürdige Stoffe, die Darmbarriere durchdringen, noch Endotoxine das Immunsystem belasten.

Dünndarmverdauung

Der am Magenausgang noch relativ saure Verdauungsbrei gelangt in den Dünndarm und wird dort mit Verdauungssäften von Pankreassaft und Galle gemischt, neutralisiert und weiter verdaut.

Die Verdauung im Dünndarm findet hauptsächlich durch körpereigene Enzyme statt.  Verdauungsenzyme werden im auf den Dünndarm folgenden Dickdarm nicht mehr sezerniert. Eine enzymatische Verdauung findet somit nur im Dünndarm statt. Es fließen aber natürlich mit dem Futterbrei Enzyme aus dem Dünndarm in den Dickdarm mit hinein, die dort auch noch in geringem Maße aktiv sind.

Das Enzym Amylase zum Beispiel spaltet Stärke in Traubenzucker (Glukose), die Lipase baut Nahrungsfett ab, Proteasen und Peptidasen zerlegen das bereits im Magen ausgefällte Nahrungseiweiß.

Die durch den enzymatischen Aufschluss zerkleinerten Nahrungsbestandteile gelangen über die Darmwand ins Blut. Im Idealfall sind bis zum Ende des Dünndarms rund 90 Prozent der aufgenommenen Stärke (abhängig von der Stärkeart), 40 bis 65 Prozent des Proteins und über 90 Prozent des Nahrungsfettes abgebaut und über die Dünndarmwand aufgenommen.

Um Fett zu verdauen, sind außer Enzymen Gallensäuren wichtig. Sie sorgen dafür, dass die Fette emulgiert werden, das heißt die Fettkügelchen gleichmäßiger im wässrigen Darminhalt verteilt werden.

Im Gegensatz zum Menschen hat das Pferd keine Gallenblase. Das bedeutet, die Gallensäuren werden nicht nahrungsabhängig in den Darm abgegeben, sondern dauerhaft in kleinen Mengen sezerniert. Somit ist die Menge an Fett, die auf einmal verdaut werden kann, beim Pferd begrenzt.

Den Dünndarm besiedeln darüber hinaus auch Mikroben, die Zucker und Stärke fermentieren und dabei Milchsäure bilden. Einige Mikroben helfen auch beim Abbau von enzymatisch nicht vollständig abgebauten Nährstoffen, Hauptaufgabe der Dünndarmmikroben ist allerdings die Aufrechterhaltung einer stabilen Flora, die pathogene Keime verdrängt und die Schleimhaut vor Schäden bewahrt (Muzinschicht, siehe oben).

Dünndarmgerechte Fütterung

Störungen der Dünndarmverdauung sind unter praktischen Bedingungen in erster Linie Störungen der Stärkeverdauung. Hier spielt also vor allem die richtige Wahl eines geeigneten Kraftfutters und die Menge eine wichtige Rolle. Die Stärke aus Mais und Gerste ist im Dünndarm schlechter verdaulich als Haferstärke. Daher sollten Mais und Gerste (wenn überhaupt) nur flockiert oder gepoppt, das heißt thermisch behandelt, an Pferde gefüttert werden. Dies erhöht ihre Stärkeverdaulichkeit auf bis zu 95 %.

Mit vermehrter Stärkefütterung steigt die Bildung von Milchsäure im Dünndarm an. Das liegt daran, dass der Anteil der Stärke, der auf dem Weg durch den Dünndarm noch nicht durch die körpereigene Amylase verdaut wurde, im letzten Teil des Dünndarms, dem Ileum (Krummdarm) anflutet und dort bereits durch eine erhöhte mikrobielle Besiedlung mit Mikroorganismen eine fermentative Verdauung der Stärke eingeleitet wird, bei der Milchsäure entsteht. Damit sinkt der pH-Wert im Dünndarm. Es kann zu Schleimhautschäden sowie zu vermehrter Gasbildung und Peristaltik-Störungen kommen. Das wiederum hat negative Effekte nicht nur auf die Nährstoffaufnahme sondern sogar auf das Immunsystem. Auch Dünndarmkoliken sind möglich.

Auch bei Fett ist es wichtig, keine zu großen Mengen zu füttern. Gesamtmengen > 200 ml müssen auf mehrere Mahlzeiten verteilt werden. Positiv wirkt sich außerdem eine Gewöhnung aus.

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Literaturverzeichnis
Coenen M, Vervuert I. Pferdefütterung. 6. Aufl. Stuttgart: Georg Thieme Verlag; 2020.

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