Getreidefreie Fütterung für Pferde

Getreidefreies Kraftfutter gibt es energiearm und energiereich je nach Zusammensetzung.

Ob auf Grund von Magenproblemen, EMS, Cushing (PPID), PSSM oder einer Getreideunverträglichkeit – immer mehr Pferde werden getreidefrei gefüttert. Das bedeutet weitestgehenden Verzicht auf Getreide, stattdessen wird oft ein getreidefreies Krippenfutter gefüttert. Dagegen ist erstmal wenig zu sagen, denn der Verdauungstrakt eines Pferdes ist evolutionsbiologisch nach wie vor eher auf die Aufnahme energiearmer, rohfaserreicher Kost ausgelegt als auf große Mengen Getreide. Dennoch hat eine getreidefreie Fütterung nicht nur Vorteile und Getreide mit seiner Stärke als Energieträger durchaus nach wie vor seine Berechtigung.

Welche Pferde sollten getreidefrei gefüttert werden?

Getreide liefert Ihrem Pferd Energie hauptsächlich in Form von Stärke und Zucker. Manche Pferde vertragen allerdings aufgrund einer Stoffwechselerkrankung, wie z. B. EMS, Cushing (PPID) oder einer Muskelerkrankung (z. B. PSSM) Stärke und Zucker nicht gut.

Auch magenempfindliche Pferde profitieren in der Regel von einer stärke- und zuckerreduzierten Ration.

Haferfreie Futter

Neben getreidefreien Futtermitteln gibt es auf dem Markt auch haferfreie Müslis. In der Regel ist in diesen Mischfuttermitteln anstelle von Hafer, Gerste, Mais oder Weizen als Energieträger enthalten. Der Energie-, Stärke- und Zuckergehalt ist allerdings in der Regel nicht niedriger als beim Hafer. Dementsprechend kommt es genau wie bei Hafer auf die Menge des Futters an, ob es Pferde „heiß“ macht oder nicht. Gerste und Mais haben gegenüber Hafer keine ernsthaften Vorteile. Weizen sollte für Pferde möglichst gar nicht eingesetzt werden, da die enthaltenen Klebereiweiße den Futterbrei zusammenkleben. Informationen zu verschiedenen Getreiden finden Sie hier.

Tabelle 1: Stärke und Zuckergehalt verschiedener Futtermittel

FuttermittelStärke
in %
Zucker
in %
Durchschnittlicher
Energiegehalt (ME)
Calcium
(g/kg)
Phosphor
(g/kg)
Heu1,7611,56,34,12,7
Hafer39,071,7311,11,13,3
Reiskleie21,657,5912,30,816,1
Mais61,23,112,80,42,8
Rübenschnitzel
(unmelassiert)
068,46,81,0
Rübenschnitzel melassiert (pelletiert)016,00 – 21,009,17,10,7
Luzerne pelletiert2,436,576,716,92,9
Erbsen43,037,3910,50,94,1
Karotte (frisch)0,382,711,20,40,3
Apfeltrester011,19,41,81,4
Leinsamen03,417,43,86,1

In Anlehnung an: Equi-Analytical Data (2016); Supplemente für die Tierernährung (2014); Equine Applied And Clinical Nutrition (2013); Beweka Rohstofflexikon; Pferdefütterung Meyer Coenen (2014)

Energiearme "Diät-Futter"

Um auch Pferden, die eigentlich kein Kraftfutter bräuchten, den Trog zu füllen, gibt es mehr und mehr energiearme Kraftfutter zu kaufen. Schließlich brauchen auch diese Pferde etwas zu fressen, damit sie sich nicht aufregen, wenn alle anderen Pferde ihr Kraftfutter bekommen. Kraftfutter mit weniger Energie als Hafer und meist zusätzlich noch mit einem höheren Volumen füllen den Trog besser als eine kleine Portion Hafer. Dennoch lohnt sich ein Blick auf das Etikett, wie viel Energie tatsächlich enthalten ist und eine kritische Überprüfung der Fütterungsempfehlung.

Generell gilt gerade für leichtfuttrige oder übergewichtige Pferde: So wenig Kraftfutter füttern wie möglich.

Denn im Überschuss aufgenommene Energie wird in Fett umgewandelt. Mehr Kraftfutter bedeutet also gleichzeitig, dass das Pferd weniger Heu fressen dürfte und damit weniger Kauzeit, Sättigung und Beschäftigung hätte. Heu trägt deutlich mehr zum Wohlbefinden der Pferde bei als Kraftfutter.

Weitere Informationen, wie man Pferde gesund abnehmen lässt, finden Sie hier

Energieträger

Wenn ein Pferd tatsächlich Kraftfutter benötigt und Zucker und Stärke als Energieträger ausscheiden, werden alternative Energieträger benötigt. Grundsätzlich können Pferde aus unterschiedlichen Kohlenhydraten sowie Fetten und Proteinen Energie gewinnen. Auch Sportpferde können deshalb durchaus getreidefrei gefüttert werden. Etliche Sportpferde sind aber zumindest mit geringen Mengen an leicht verdaulichen Kohlenhydraten etwas sportlicher unterwegs als ohne.

Fasern

Kohlenhydrate lassen sich in 2 Kategorien unterteilen: entweder sie werden durch körpereigene Enzyme hauptsächlich im Dünndarm verdaut (z. B. Zucker und Stärke) oder sie gelangen in den Dickdarm und werden dort durch mikrobielle Fermentation abgebaut (z. B. Zellulose, Hemizellulose und Pektine). Pferde als Dickdarmverdauer gewinnen (im Gegensatz zu uns Menschen, Hunden oder Katzen) tatsächlich den Großteil ihrer Energie aus mikrobiell fermentierbaren Kohlenhydraten. Vereinfacht zusammengefasst: aus Fasern. Diese sind z. B. in Heu, Gras und Rübenschnitzeln enthalten. Die Mikroorganismen bauen ankommende Fasern zu kurzkettigen Fettsäuren ab, die wiederum dem Pferd als Energiequelle zur Verfügung stehen. Aber auch für Fasern gilt ebenso wie für dünndarmverdauliche Kohlenhydrate, Fett und Protein: Alles in Maßen ist gut, kann aber in Massen aufgenommen, zu Problemen führen.

Faserreiche Futtermittel wie Heu oder Gras sind die Grundlage jeder Pferdefütterung und liefern den Großteil der Nährstoffe und Energie. 1 kg durchschnittliches Heu enthält ca. so viel Energie wie 500 – 700 g Hafer bei durchschnittlich 100 g Zucker. Theoretisch ließe sich also auch ein Sportpferd, das mittlere Arbeit leistet, durch qualitativ gutes, nährstoffreiches Heu ausreichend mit Energie versorgen. Allerdings ist die im Heu und Gras enthaltene Energie in einem großen Volumen gebunden, sodass wir irgendwann ein Platzproblem im Pferdedarm bekommen. Füllt man den Darm zu sehr, kann das Pferd das Hinterbein nicht mehr so gut unter den Schwerpunkt setzen. Außerdem wird unserer Erfahrung nach der Rücken durch das an ihm hängende Gewicht (Heu bindet auch Wasser) fest.

1 kg Heu liefert, abhängig von Qualität und Zeitpunkt des Schnitts, 100 g Protein, 4,1 g Calcium, 2,7 g Phosphor sowie variable Mengen an weiteren Mineralien, Spurenelementen und Vitaminen. Ein später Schnitt enthält weniger Protein, Energie und Phosphor. Die Versorgung Ihres Pferdes mit Zink, Kupfer und Selen sowie einigen Vitaminen ist allein durch Heu in der Regel nicht gesichert, sodass ein Mineralfutter ergänzt werden sollte. Bei spät geschnittenem, stängeligem Heu kann der Bedarf an Phosphor und etlichen Aminosäuren (Proteinversorgung) mit einer getreidefreien Fütterung nicht immer gedeckt werden.

Rübenschnitzel

Rübenschnitzel liefern Energie in Form von leicht verdaulichen Fasern. 1,3 kg davon trocken eingewogen enthalten so viel Energie wie 1 kg Hafer. Der Zuckergehalt ist ähnlich wie in Heu und variiert zwischen 60 g (unmelassiert) und 210 g (melassiert) je Kilogramm. Durch das zwingend notwendige Einweichen erreichen Rübenschnitzel allerdings ein großes Volumen. Je mehr Volumen an Krippenfutter ein Pferd frisst, desto weniger Heu frisst es. Heu führt zu deutlich mehr Kauschlägen als Rübenschnitzel und sollte daher nicht unbegrenzt durch Rübenschnitzel ersetzt werden.

Weitere Informationen finden Sie hier.

Luzerne

Luzerne besitzt einen ähnlichen Energie-, Stärke- und Zuckergehalt wie Heu, allerdings mit 16,9 g Calcium zu 2,9 g Phosphor je Kilogramm ein extrem weites Ca:P Verhältnis. Genutzt wird die ganze Luzerne (als Pellets oder Cobs) aufgrund ihres hohen Protein- und Aminosäurengehaltes zur Proteinergänzung. Getreidefreien Müslis werden gerne Luzernehäcksel beigefügt, um die Pferde zu vermehrtem Kauen anzuregen. Eine Studie zeigte, dass Luzernehäcksel mechanisch in der Lage sind Magengeschwüre am Magenausgang zu verursachen (Vondran et al., 2016), da nicht alle Pferde pieksende Futtermittel vertragen. Außerdem ist Luzerne leider relativ häufig mit Giftpflanzen (z. B. Jakobskreuzkraut) verunreinigt. Verfüttern Sie daher bitte nur Luzerne von Herstellern, die die Chargen regelmäßig auf Giftstoffe kontrollieren lassen (unter Beachtung der Regeln für die Probenziehung).

Fett

Pflanzenöl hat dreimal so viel Energie pro Kilogramm wie Getreide. Außerdem haben Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren positive Auswirkungen auf Fell und Haut, und Omega-3-Fettsäuren wirken zudem entzündungshemmend. Allerdings vertragen Pferde nicht unbegrenzt viel Öl auf einmal. Die in der Leber produzierten Gallensäuren sind notwendig für die Fettverdauung. Nur leider besitzen Pferde keine Gallenblase. Deshalb kann nicht, wie beim Menschen, bei Bedarf eine größere Menge an Gallensäuren plötzlich ausgeschüttet werden.

Wird zu viel Öl gefüttert, gelangt dieses deshalb in den Dickdarm und führt dort zu einer Umschichtung der Bakterienflora sowie gegebenenfalls zu Durchfall. In der Regel werden Mengen von 10 g je 100 kg Körpergewicht auf einmal problemlos vertragen. Nach Adaptation können auch 15 g je 100 kg Körpergewicht zu einer Mahlzeit verfüttert werden. Zu beachten ist, dass beim Einsatz von Ölen insbesondere mit einem hohen Anteil an ungesättigten Fettsäuren (nahezu alle Pflanzenöle), der Bedarf an Vitamin E als Antioxidans ansteigt (Mehrbedarf rd. 1 mg Vitamin E/1 ml Öl). Zu beachten ist, dass Öle unter Licht- und Sauerstoffeinfluss anfällig für Verderb sind. Verdorbene, ranzige Öle kosten den Körper enorm Antioxidantien. Besonders anfällig ist Leinöl, sodass nach Möglichkeiten stabilisiertes Leinöl (z. B. unser Magnopower liquid) verwendet werden sollte.

Weitere Informationen zur Ölfütterung finden Sie hier.

Leinsamen

Leinsamen liefert durch seinen Fettgehalt von ca. 33 % viel Energie. Auch aufgebrochener Leinsamen ist daher nur sehr kurz haltbar und sollte nur frisch verfüttert werden. Länger haltbar sind die Produkte aus der Leinölgewinnung wie z. B. Leinkuchenmehl, Leinkuchen, Leinextraktionsschrot, denen ein Großteil des Fettes entzogen wurde. Mit ca. 5 % Restfett liegt der Energiegehalt aber immer noch ungefähr so hoch wie beim Hafer. Bei Müslis mit Leinsamen oder auch der Fütterung puren Leinsamens sollte aufgrund der in Leinsamen enthaltenen Blausäure darauf geachtet werden, dass insgesamt nicht mehr als 200 g Leinsamen an ein 600 kg schweres Pferd verfüttert werden. Sollen größere Mengen Leinsamen gefüttert werden, kann man ihn 10 Minuten in Wasser kochen, um den Blausäuregehalt zu reduzieren. Wichtig zu wissen ist, dass gelber Leinsamen genauso viel Blausäure enthält wie brauner Leinsamen.

Protein

Als Pflanzenfresser sind Pferde nicht auf die Energiegewinnung aus Protein ausgelegt, daher ist Protein für Pferde keine besonders gute Energiequelle. Der Abbau nicht benötigten Proteins kostet Energie, weil über die Ausscheidungsprodukte Harnstoff und Hippursäure Energie verloren geht. Außerdem belastet die Endausscheidung Leber und Nieren. Dennoch ist für Aufbau und Erhalt der Muskulatur sowie den gesamten Stoffwechsel die Versorgung mit essenziellen Aminosäuren (Kleinstbausteine der Proteine) wichtig. Gerade bei Pferden, die nicht viel Futter benötigen, sowie bei Fütterung von spät geschnittenem Heu kommt es schnell zu einem Mangel an Aminosäuren.

Weitere Informationen finden Sie hier.

Vor- und Nachteile getreidefreier Fütterung

Eine getreidefreie Fütterung hat durchaus ihre Vorteile und ihre Berechtigung, dennoch ist sie kein Allheilmittel (siehe Tabelle 2). Es ist wichtig, mit Blick auf die Funktionsfähigkeit des Organismus darauf zu achten, dass keine Nährstofflücken für Ihr Pferd entstehen. Wenn Ihr Pferd Energie über Heu hinaus benötigt, lohnt sich der Blick auf die Inhaltsstoffe und Zusammensetzung von getreidefreien Mischfuttermitteln. Nicht jedes getreidefreie Futter ist tatsächlich zucker- und stärkearm. Wir empfehlen, ein Futter mit einem Zucker- und Stärkegehalt von unter 10 % insgesamt zu wählen. Außerdem bergen auch andere Energieträger als Getreide spezifische Gefahren.

Tabelle 2: Vor- und Nachteile einer getreidefreien Fütterung

VorteileNachteile
Geringerer Anstieg des BlutzuckersEs kann zu Defiziten in der Versorgung mit Aminosäuren, Phosphor und weiteren Nährstoffen kommen
MagenentlastungViele getreidefreie Müslis enthalten grobstängelige Häcksel, die bei Pferden vereinzelt zu Irritationen am Magenausgang führen können 
Verringert Hufrehegefahr bei Cushing (PPID) und, in Abhängigkeit des Energiegehaltes, auch bei EMS geeignetFasern und Rübenschnitzel können nur bis zu einer bestimmten Grenze verabreicht werden
Lindert Symptome bei PSSMJede Energiequelle hat ihre spezifischen Nachteile:
- Öl wird schnell ranzig
- Leinsamen enthält ggf. Blausäure
- Zu viel Protein kostet Energie und belastet Leber und Nieren

 

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