Magengeschwür beim Pferd

Das Problem
Magengeschwüre sind ein gesundheitliches Problem, das leider (zu) viele Pferde begleitet! Nicht nur Rennpferde mit einer Häufigkeit von rund 90%, auch Freizeitpferde leiden unter Magengeschwüren. Bei Freizeitpferden sind es statistisch allerdings "nur" 40 bis 60%. Sportpferde liegen mit rund 65% etwas darüber. Auch die Hälfte aller Fohlen zeigen beim Absetzen von der Mutter aufgrund des Stresses Magengeschwüre.
Die Wahrscheinlichkeit, dass auch Ihr Pferd an einer Magenerkrankung leidet, ist also durchaus gegeben. Um Magenschleimhautveränderungen und Magengeschwüre zu verstehen, ist es zunächst wichtig die physiologischen Grundlagen des Pferdemagens zu verstehen.
Anatomie des Pferdemagens
Das Wichtigste vorab: Pferde haben einen zweigeteilten Magen. Der obere Teil des L-förmigen Magens (nach der Speiseröhre) hat eine drüsenlose Schleimhaut. Im oberen, drüsenlosen (kutanen) Teil des Pferdemagens finden sich Bakterien, die aus der Nahrung leicht zugängliche Kohlenhydrate wie Stärke und Zucker u. a. zu Laktat (Milchsäure) abbauen. Die Gabe hoher Stärkemengen kann aufgrund der Umwandlung zu Milchsäure dort bereits zu einer Absenkung des pH-Werts führen und erhöht damit das Risiko für Magengeschwüre. In einem gesunden Magen sollte der pH-Wert erst zum Magenausgang hin schritt- bzw. schichtweise deutlich absinken.
Der direkt an den drüsenlosen Abschnitt anschließende tiefere Teil des Magens (nur abgegrenzt durch den Margo plicatus, eine Grenzlinie der Schleimhaut) ist von einer Drüsenschleimhaut ausgekleidet.
Dieser "Drüsenteil" des Magens produziert den Magensaft, dessen Hauptbestandteil Salzsäure ist. Im Vergleich zum drüsenlosen Teil schützt sich die Schleimhaut dieses Magenabschnittes durch einen gelartigen Magenschleim selbst vor der Einwirkung der Salzsäure. In diesem Drüsenteil des Magens werden mit Hilfe der Magensäure die bakteriellen Abbauvorgänge des drüsenlosen Teils gestoppt. Die Säure tötet die Bakterien ab, sie "desinfiziert" sozusagen den Nahrungsbrei für die nachfolgenden Verdauungsvorgänge in Dünn- und Dickdarm.
Eine kluge Maßnahme der Natur, denn:
a) aufgenommene Nahrung ist niemals keimfrei, und diese Keime aus der Außenwelt könnten sich ohne diese "Desinfektion" vermehren und lebensgefährliche Erkrankungen auslösen,
b) der Pferdespeichel hat keine Enzyme für den Nahrungsaufschluss von Kohlenhydraten, was er evolutionsbiologisch auch nicht brauchte, da das Pferd in der Steppe keine Futterkrippe voll mit Getreide, Pellets oder Müsli fand. Diese Funktion wird von der Salzsäure übernommen.
Lediglich die Vorverdauung (Denaturierung) der Nahrungsproteine beginnt bewusst im Drüsenteil des Magens, denn sowohl die Säure als auch das Enzym Pepsin aus den Drüsenzellen des Magens sind in der Lage, Proteine für die Verdauung im Dünndarm „vorzubereiten“.

Zunächst gelangt der abgeschluckte Futterbissen in den drüsenlosen Magenteil zur mikrobiellen Vorbereitung und rutscht dann in den Drüsenteil. Dort wird er mit Magensaft vermischt und für die weitere enzymatische Verdauung im Dünndarm vorbereitet. Grafik: IWEST
Kauen und Speichel
Im Gegensatz zu uns Menschen oder unserem Hund bildet ein Pferd Magensaft (und damit Magensäure) nicht erst wenn Nahrung aufgenommen wird (das würde man als reflektorisch bezeichnen), sondern rund um die Uhr, also 24 Stunden am Tag (das nennt man eine kontinuierliche Magensäurebildung). Der Magensaft enthält zum größten Teil Salzsäure mit einem pH-Wert von 2 (=sehr sauer). Der saure pH-Wert ist wichtig, um die Bakterien aus dem Nahrungsbrei abzutöten und den Nahrungsbrei weitgehend keimfrei zu machen (siehe oben). Eine kontinuierliche Nahrungsaufnahme führt zu einer Schichtung im Magen und „bindet“ die Magensäure ab. Darüber hinaus spielt der Speichel des Pferdes eine entscheidende Rolle.
Der Pferdespeichel enthält pufferndes (basisches) Bikarbonat, welches den pH-Wert des Magensaftes abpuffert. Beim Pferd wird Speichel jedoch nur beim Kauen mit jedem Kauschlag aus den Speicheldrüsen freigesetzt. Genau hierin wird die enorme Bedeutung des Kauens als Vorbeugung vor Magengeschwüren deutlich: Ohne Kauvorgang kein puffernder Speichel für die Säurebindung im Magen.
Deutlich wird dies, wenn man den Effekt auf den Magen von 1 kg Heu im Gegensatz zu 1 kg Heu vergleicht:
- Ein Pferd benötigt ca. 40 Minuten, um ein Kilo Heu zu kauen. In dieser Zeit macht es 3.000 bis 3.500 Kauschläge und produziert dabei rund vier Liter Speichel.
- Für 1 kg Hafer/Müsli/Pellets braucht ein Pferd nur ca. 10 Minuten. Da die Speichelproduktion beim Pferd von den Kauschlägen abhängig ist, wird hierbei nur ¼ der Speichelmenge, also ein Liter Speichel, produziert. Somit kommt in der Folge deutlich weniger pufferndes Bikarbonat als Gegenspieler zur Säure im Magen an.
- Auch die physiologische Schichtung im Magen wird nur mit Raufutter erreicht. Kraftfutter neigt zur Klumpenbildung im Magen oder zu einer starken Verflüssigung des Mageninhaltes. Heu dagegen füllt den Magen mit einem lockeren Nahrungsbrei, der die Magensäure regelrecht aufsaugt.
- Fehlt die Raufutteraufnahme über >4 Stunden, reichert sich Magensäure im Magen an, was die Schleimhaut über die Maßen reizen und Geschwüre begünstigen kann
Wir sehen, an der Anatomie des Magens und dem Zusammenspiel mit der Futteraufnahme sowie der damit verbundenen Speichelbildung, wie die Evolution beim Pferd ein austariertes System geschaffen hat, das gemeinsam die Magengesundheit des Pferdes bestimmt.
Evolution und Haltung
Die drüsenlose Schleimhaut des oberen Magenteils ist gegenüber dem salzsäurereichen Magensaft relativ schutzlos, da es zwischen den beiden Magenteilen keine mechanische (Schutz-) Barriere gibt. Dieses „Problem“ wird umgangen, wenn sich der Magen schichtweise, also langsam mit Futter füllt.
In der Steppe kommt (bei 16- bis 20-stündiger Nahrungsaufnahme) kontinuierlich ein Gemisch aus Pflanzen und Speichel im Magen an, welches die Säure aufsaugt (Pflanzen) und puffert (Speichel). Frisst ein Pferd also langsam und kontinuierlich kaufähiges Material (Raufutter wie Heu oder Gras), ist die Gefahr für Magengeschwüre im drüsenlosen Teil gering, denn so wird der Pferdemagen bei der Nahrungsaufnahme schichtweise befüllt und der pH-Wert erst im Drüsenteil durch eine starke Durchmischung mit Magensäure am Magenausgang abgesenkt.
Beim Steppentier Pferd ist somit aufgrund seiner Lebensbedingungen weitgehend sichergestellt, dass aus dem Drüsenteil des Magens kein Magensaft in den vorderen drüsenlosen Teil schwappt (ständige Nahrungsaufnahme) und auch der pH-Wert im (vorderen) drüsenlosen Teil nicht unphysiologisch weit absinkt (stärkearme Ernährung in der Steppe). So erklärt es sich auch, warum Pferde, die 24 Stunden auf satten Weiden gehalten werden, nur selten Magengeschwüre aufweisen. Ihre Futteraufnahme und aufgenommene Futter gleichen den evolutionär vorgesehenen Parametern für eine pferdegerechte Ernährung.
Dies gilt allerdings nicht unbedingt für unser domestiziertes Pferd in Boxenhaltung, das keineswegs 16 bis 20 Stunden am Tag fressen kann, sondern bei dem Fresspausen von mehr als vier Stunden und größere Mengen stärkereichen Kraftfutters oftmals die Normalität sind.
Erst unter diesen Haltungsbedingungen wird die physiologische Konstruktion dann tatsächlich zum Problem. Denn ist der Magen durch z. B. längere Fresspausen relativ leer, trifft Magensäure z. B. in der Bewegung auf die schutzlose Schleimhaut des drüsenlosen Teils und verätzt diese regelrecht, sodass Erkrankungen der Magenschleimhaut bzw. Magengeschwüre entstehen können. Unser domestiziertes Pferd hat (leider) heute noch die Physiologie des Steppentiers Pferd, die auf eine ständige und stärkearme Nahrungsaufnahme ausgerichtet ist. Fütterung und Haltung sollten daher an diese Physiologie des Pferdes angepasst werden.

Symptome, Diagnose, Ursachen
Vermutet man Probleme mit dem Magen bei seinem Pferd gibt es (leider) eine Reihe von Symptomen, die einen Hinweis geben können. Dazu zählen u. a.:
- Verhaltensänderungen, wie empfindsamer Bauchbereich, vermehrte Aggression, Gähnen oder Leerkauen, Metalllecken
- Trainings-Erschwernisse durch z. B. Unwillen beim Aufsitzen, Nachgurten,Rittigkeitsprobleme oder das Absinken des Leistungsniveaus
- Veränderte Nahrungsaufnahme wie verminderter Appetit, Strohfressen oder Holznagen
- Physiologische Auffälligkeiten, wie häufiger geringer Harnabsatz, insbesondere nach der Arbeit, Kotwasser bis hin zu Durchfall
Die genannten Punkte sind nur ein Auszug aus Veränderungen, die wir im Rahmen unserer langjährigen Beratung kennengelernt haben. Mehr Informationen über die möglichen Symptome finden Sie hier.
Will man auf Nummer sicher gehen, dann ist die tierärztliche Diagnose das Mittel der Wahl, um sich Gewissheit zu verschaffen. Im Falle eines (leider) positiven Befundes, stimmt dann der Tierarzt die weitere Therapie mit Ihnen ab, die wiederum management- und fütterungsseitig unterstützt werden sollte.
Vermutet man aufgrund von bestimmten Symptomen Magenschleimhautveränderungen bzw, liegt die Diagnose Magenschleimhautgeschwür vor, ist es in beiden Fällen wichtig sich auf die Suche zu begeben, denn die verschiedenen Ursachen erfordern je nach Fall spezifische Lösungsansätze. Wird die Ursache nicht beseitigt, läuft man Gefahr sich in einem Teufelskreis wiederfinden, der sich wiederholt. Kurz zu nennen sind an dieser Stelle im Wesentlichen:
- Physikalische Ursachen, wie die mechanische Schädigung der Magenschleimhaut
- Gabe von bestimmten Medikamenten
- Stress kann zu einer vermehrten Bildung von Magensäure führen
- Fütterungs(management)fehler, wie z. B. lange Fresspausen, eine unzureichende Heumenge, eine „zu“ stärkereiche Ration oder bestimmte Rationskomponenten
Weiterführende Information zu den Symptomen und der Diagnose sowie den Ursachen von Magengeschwüren finden Sie hier.
Magenschonende Fütterung
Aus dem Wissen zur Physiologie des Magens und zum Kauvorgang ergeben sich folgende wichtig Erkenntnisse für die Fütterung magenempfindlicher Pferde.
- Ganztägiger Weidegang ist als optimal anzusehen, da eine kontinuierliche Raufutteraufnahme über den Tag verteilt erfolgt und die Pferde wenig Stress haben.
- Mindestmengen an Raufutter: entweder 12 h Raufuttervorlage oder mind. 2 kg Heu/100 kg Körpergewicht pro Tag (12 kg Heu für ein 600 kg Pferd). Zum Wohlbefinden und zur Stressreduktion des Pferdes trägt Weidegang oder eine ad libitum Heufütterung am ehesten bei.
- Zeitpunkt der Fütterung von Heu: stets vor Krippenfuttergabe und mind. 300 g vor dem Reiten
- Fresspausen sofern möglich auf <4 Stunden begrenzen: möglichst immer Heu anbieten, eine große Portion (rd. 50 % der Heuration) für die Nacht einplanen
- Vor dem Reiten/Transport/unterwegs Magnoguard® Leckerli: zusätzlich eine Mahlzeit (50 g) zur Säurebindung geben, um die empfindliche Magenwand zu schützen
- Reduktion von bis hinzum Verzicht auf Getreide (für mindestens 4 Wochen keinen Hafer, Mais etc., kein getreidehaltiges Mash)
- Verteilung des Krippenfutters auf 3 – 4 Mahlzeiten, jedoch nicht mehr als 300 g pro 100 kg Körpergewicht je Mahlzeit.
- Geeignetes Krippenfutter bei erhöhtem Energiebedarf: unmelassierte Rübenschnitzel oder Luzernecobs (eingeweicht), alternativ Graspellets
- Ergänzung von Öl (Magnopower Liquid®), da Untersuchungen an Pflanzenölen einen positiven Effekt auf die Magenschleimhaut und die Magenentleerung beim Pferd gezeigt haben. Zudem enthält Magnopower Liquid® potenziell entzündungshemmende Omega-3-Fettsäuren.
- Prophylaktischer Magenschutz durch Magnoguard® und für unterwegs Magnoguard®-Leckerli. Mehr Informationen zu unserem Magnoguard® finden Sie hier.
- Weitere Option Magnokollagen®: Kollagenpeptide haben einen positiven Effekt auf die Magenschleimhaut, verstärken die Wirkung von Omeprazol auf die Anhebung des Magen-pH-Werts und hemmen die Gastrinsekretion (Hormon, welches die Magensäureproduktion ankurbeln würde). Bei einer zweimal täglichen Fütterung von 15 g je 100 kg Körpergewicht führten Kollagenpeptide zu weniger Magengeschwüren im drüsenlosen Teil des Magens und konnten auch einen positiven Effekt auf die Magenschleimhaut bei Futterentzug erzielen.
- Einwandfreie hygienische Qualität aller Futtermittel (Heu, Einstreu, etc) beachten.
- Stroh: als Einstreu ist Stroh prinzipiell geeignet, die übermäßige Aufnahme sollte jedoch unterbleiben.
- Wasser (hygienisch einwandfrei!) sollte grundsätzlich zur freien Verfügung stehen und im Winter nicht <12 °C kalt sein.
Darüber hinaus haben manche Kräuter nachgewiesener Maßen negative Auswirkungen auf die Magengesundheit von Pferden (Weidenrinde, Ingwer, Teufelskralle), sodass deren Einsatz gegen die Nebenwirkungen auf den Magen stets abgewogen werden sollten. Bei magenempfindlichen Pferden sollte generell auf diese Pflanzen und deren Extrakte verzichtet werden. Das Benagen von Weiden (Baum) ist aber nicht kritisch, solange das Pferd nicht im Übermaß Rinde aufnimmt.
Fazit
Selten wird die Bedeutung des Managements und der Fütterung für Pferde so deutlich im Alltag, wie beim Thema Magenschleimhautveränderungen und Magengeschwüren.
Die tägliche Herausforderung ist, die evolutionsbiologischen Grundsätze mit der Haltung und Sicherheit in menschlicher Obhut zusammenzubringen.
Berücksichtigt man die pferdegerechten Fütterungsgrundsätze und unterstützt man den empfindlichen Pferdemagen gezielt mit einer auf diesen abgestimmten Fütterung, dann leistet man einen wesentlichen Beitrag für das alltägliche Wohlbefinden. Mehr Informationen über die Rationsgestaltung bei magenempfindlichen Pferden finden Sie hier.
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Literaturverzeichnis:
- Camacho-Luna P, Andrews FM, Keowen ML, Garza JrF, Liu CC, Lamp B and Olijve J (2022) The effect of porcine hydrolysed collagen on gastric ulcer scores, gastric juice pH, gastrin and amino acid concentrations in horses. Equine Veterinary Education, 34(5), p. 248-257
- Gehlen, H., Prieß, A., Doherr, M. (2021). Deutschlandweite multizentrische Untersuchung zur Ätiologie von Magenschleimhautläsionen beim Pferd. Pferdeheilkunde – Equine Medicine 37 4, 395–407