Aminosäuren fürs Pferd

Weiße Stute mit trinkendem braunem Fohlen
Bildquelle: Slawik

Pferde benötigen Proteine bzw. deren Bausteine, die Aminosäuren, um körpereigene Proteine wie Muskeln, Enzyme, aber auch Milch bilden zu können. Einen besonders hohen Bedarf an Aminosäuren haben Pferde im Wachstum, Stuten in der Trächtigkeit und Laktation sowie Pferde im Muskelaufbau. Fehlen essenzielle Aminosäuren, bedient sich der Körper am Protein der Muskulatur. Dies führt zum Abbau von Muskulatur, belastet den Stoffwechsel und kann zu gravierenden Leistungseinbußen führen.

Ein gesundes Pferd kann bis zum 3-Fachen seines täglichen Proteinbedarfs aufnehmen, ohne schwere gesundheitliche Folgen zu erleiden, aber auch ohne einen ernährungsphysiologischen Vorteil. Denn Proteine können im Körper quasi nicht gespeichert werden, sondern überschüssiges Protein aus der Nahrung muss abgebaut und über Leber und Niere entgiftet und ausgeschieden werden. Dieser Vorgang kostet Energie und belastet den Stoffwechsel. Daher ist das Ziel in der Versorgung unserer Pferde nicht möglichst viel Protein zu füttern, sondern auf die richtige Aminosäurenmenge und -zusammensetzung zu achten.

Dabei stellt das Grundfutter (Heu, Gras u. Ä.) den wichtigsten Proteinlieferanten dar. Dessen Qualität entscheidet maßgeblich über die Proteinversorgung unserer Pferde. So reduziert beispielsweise das Wässern oder Bedampfen von Heu, die Fütterung von spät geschnittenem, grobem Heu oder die rationierte Raufuttergabe (Diätrationen) die Protein- bzw. Aminosäurenmenge in der Ration, so dass ein Ausgleich über proteinreiche Futtermittel oder Aminosäurenergänzer erfolgen muss.

Protein- und Aminosäurenbedarf

Das Pferd hat einen sogenannten Erhaltungsbedarf für Proteine. Diese werden zum einen gebraucht, um den täglich ausgeschiedenen Stickstoff über Darmsäfte, Kot und Niere auszugleichen. Dazu kommen Proteinmengen, die für Leistungen notwendig sind. Dazu gehören beispielsweise das Wachstum von Jungpferden oder die Milchproduktion bei Zuchtstuten. Der Mehrbedarf an Protein bei Sportpferden ist vergleichsweise gering. In der Regel genügen geringe Mengen hochverfügbarer Aminosäuren, um Proteinimbalancen im Grundfutter auszugleichen, im Aufbautraining mehr Muskulatur zu entwickeln und in der Belastung keine aktive Muskelmasse einzubüßen. Denn es kommt unterm Strich nicht auf die Gesamtmenge des Proteins an, sondern: Das Pferd braucht Aminosäuren, die kleinsten Bausteine der Proteine.

Damit das Pferd seinen körpereigenen Proteinbestand halten oder ausbauen kann, braucht es täglichen Nachschub. Würde man ein Pferd proteinfrei ernähren, würde der Körper sich quasi selbst verdauen, das heißt, er würde seinen Proteinbedarf durch den Abbau von körpereigenen Proteinen, wie z.B. Muskulatur, decken.

Negative Effekte eines Aminosäurenmangels

  • Muskelabbau
  • Substanzverlust milchgebender Stuten
  • Substanzschwaches Wachstum von Jungpferden
  • Störungen des Enzym- und Hormonhaushaltes
  • Infektanfälligkeit der Schleimhäute
  • Verzögertes Hufwachstum

Günstige Effekte einer ausreichenden Aminosäurenversorgung

  • Aufbau von Muskulatur bei Trainingsbelastung
  • Gesunde Huf-, Haut- und Hornbildung
  • Gesundes Wachstum
  • Ausreichend Milch für das neugeborene Fohlen
  • Ein gesunder Stoffwechsel (Regeneration von Körpergewebe, Blutzellen, Hormon- und Enzymbestand und der Schleimhäute)

Zu viel Protein?

Die gute Nachricht ist: Eine Proteinversorgung bis zum Dreifachen des Bedarfs ist für gesunde Pferde kein Problem. Inzwischen wurde widerlegt, dass allein eine Proteinüberversorgung Hufrehe auslösen kann. Dennoch sollten Pferde nicht unreflektiert mit erheblichen Mengen Protein versorgt werden, denn alles überschüssige Protein muss ausgeschieden werden, belastet daher den Stoffwechsel, insbesondere Leber und Niere und kostet Wasser. Gelangt zu viel Protein in den Dickdarm, weil es z. B. im Dünndarm nicht verdaut werden konnte, wird es im Dickdarm abgebaut. Beim Abbau von Aminosäuren entsteht basisches Ammoniak. Dadurch verändert sich der pH-Wert im Dickdarm, was wiederum die Darmflora durcheinanderbringen kann. Ammoniak ist ein starkes Zellgift. Deshalb muss es in der Leber möglichst rasch zu ungiftigem Harnstoff umgewandelt werden. Danach wird es über die Niere gemeinsam mit Wasser und Elektrolyten ausgeschieden.

Protein- und Aminosäurenergänzung?!

In der Natur decken Pferde ihren Proteinbedarf über Grünfutter. Auch viele unser "Hauspferde" sind bereits durch Heu gut mit Protein versorgt. Es kommt allerdings auf die Heuqualität und die gefütterte Menge an.

Frisches Gras ist in der Regel sehr aminosäurenreich und bedarf keiner Protein- oder Aminosäuren-Ergänzung. Anders sieht es aus bei spätsommerlichen Aufwüchsen oder Heu unterschiedlicher Qualität. Hier hat die Pflanze aufgrund des fortgeschrittenen Wachstums die Aminosäuren in Fasern so fest verpackt, dass das Pferd mit den körpereigenen Enzymen im Dünndarm nicht herankommt und sie erst im Dickdarm aufspalten kann. Die dabei entstehenden Aminosäuren kann das Pferd aber nicht mehr nutzen, weil die Dickdarmwand keine Aminosäuren durchlässt. Oder die Pflanze hat die Aminosäuren bereits für eigenes Wachstum und Samenbildung verbraucht. Auch dann kann der Gehalt an Aminosäuren im Raufutter bereits deutlich reduziert sein. Für Heu, welches gewässert oder bedampft wurde, weiß man, dass bis zu 35 % der Aminosäuren verloren gehen und über Ergänzungsfuttermittel zugeführt werden müssen. Pferde, die weniger als 1,7 kg Heu je 100 kg Körpergewicht fressen, laufen ebenfalls Gefahr, in einen Aminosäurenmangel zu geraten.

In folgenden Fällen ist eine Proteinergänzung zum Grundfutter sinnvoll:

  • Gewässertes Heu
  • Bedampftes Heu
  • Grobes, spätgeschnittenes Heu
  • Spätsommerliche Weiden mit sperrigem Aufwuchs 
  • Weniger als 1,7 kg Heu je 100 kg Körpergewicht
  • Im Muskelaufbau
  • Stuten in der Trächtigkeit und Laktation
  • Fohlen und Pferde im Wachstum
  • Pferde mit Erkrankungen, bei denen der Stoffwechsel gestört ist (z.B. Cushing) oder Protein über den Darm verloren geht oder gar nicht erst ausreichend absorbiert wird (z.B. chronische Darmentzündung)
  • Alte Pferde mit verminderter Verdauungsleistung, aber gesunden Nieren

Literaturverzeichnis

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