Wie viel Heu braucht ein Pferd?

Bild: Slawik

Raufutter (Heu, Heulage, Silage, Gras und begrenzt auch Stroh) ist für Pferde weitaus mehr als nur ein Futtermittel. Als Energie- und Nährstofflieferant, wichtiges Substrat für ein gesundes Darmmikrobiom, Wohlbefinden durch Beschäftigung, Magenpufferung durch Speichelbildung beim Kauen – kein anderes Futtermittel bietet unseren Pferden so viele Vorteile wie Raufutter.

Um die psychische und physische Gesundheit unserer Pferde zu sichern, werden mindestens 1,7 kg Heu / 100 kg KGW empfohlen. Mengen unter 1 kg Heu / 100 kg KGW können schwere gesundheitliche Folgen haben (Magengeschwüre, Kolik, Verhaltensstörungen, u. a.). Diese Mindestmengen gelten auch für ältere Pferde, deren Raufutter größtenteils aus Heuersatz wie Heucobs besteht, da Heu nicht mehr ausreichend gekaut werden kann.

Aber auch zu viel Heu kann zu Problemen führen, unter anderem zu Rittigkeitsproblemen und Übergewicht, denn 1 kg Heu enthält durchschnittlich so viel Energie wie 500 – 700 g Hafer.

Wieso ist ausreichend Heu so wichtig?

Ausreichende (mindestens 1,7 %, lieber 2 % der Lebendmasse) Heufütterung:

  • sichert den größten Teil an lebensnotwendigen Nährstoffen, wie Mineralien, Vitamine, Protein sowie Energie
  • sorgt für einen gesunden Zahnabrieb
  • ist wichtig für das Wohlbefinden – Pferde brauchen Beschäftigung, sonst entstehen schnell stereotype Verhaltensweisen, z. B. Koppen, Weben
  • beruhigt die Nerven aufgrund der Kautätigkeit und Sättigung
  • verbessert die Magengesundheit durch ausreichende Speichelbildung
  • optimiert pH-Verhältnisse für die Aktivierung körpereigener Verdauungsenzyme im Dünndarm (Stärke- und Proteinverdauung)
  • sichert eine gesunde Darmflora durch fermentierbare Kohlenhydrate (Faserbestandteile)
  • verhindert Fehlgärungen
  • sichert Wasser-/Elektrolyt- & Säure-Basen-Haushalt (siehe Elektrolyte)
  • wirkt Bluteindickung, Verstopfungen und Kreislaufbelastung entgegen
  • liefert kontinuierlich und langanhaltend Energie (kurzkettige Fettsäuren aus Fermentation Zellulose/Hemizellulose)

Heu ist DAS Grundnahrungsmittel für jedes Pferd

Pferde sind darauf ausgelegt, kontinuierlich (12–16 Stunden am Tag) rohfaserreiche Nahrung aufzunehmen.

Heu ist als Grundnahrungsmittel für unsere Pferde daher absolut notwendig. Für 1 Kilogramm Kraftfutter benötigen Pferde ca. 10 Minuten. An einem Kilogramm Heu fressen sie bis zu 40 Minuten. Ein kraftfutterreich gefüttertes Pferd leidet daher schnell an Langeweile und entwickelt so leichter Verhaltensstörungen wie z. B. Weben.

Ein Pferd benötigt für 1 Kilogramm Heu ungefähr dreimal so viel Kauschläge wie für 1 Kilogramm Kraftfutter. Nur beim Kauen wird Speichel aus den Speicheldrüsen massiert, deshalb entscheidet die Kautätigkeit über die Speichelmenge. Speichel sorgt für einen gut durchsafteten Futterbrei und einen ausgeglichenen pH-Wert im Magen und vermindert somit die Gefahr von Magengeschwüren. Bei Heufütterung entsteht ein lockerer Futterbrei, der von der Magensäure gut durchdrungen werden kann. Bei Kraftfutter ist der Futterbrei klebriger und deutlich fester, die Magensäure bleibt vermehrt an der Magenwand und kann dort Schäden verursachen.

Futtermittel Kauzeiten/Speichelbildung

Futtermittel
Anzahl der Kauschläge
Speichelproduktion in Liter

 

Tagesmenge

pro kg Futter

am Tag

pro kg Futter

am Tag

Heu

10 kg

3000-3500

30000-35000

4,5-5,5

45-55

Kraftfutter
(Hafer, Pellets)

3 kg

800-1200

2400-3600

1,0-1,2

3,0-3,6

 

Auch der Darm des Pferdes braucht Heu: Die Fasern regen die Darmbewegungen an. Fehlen sie, wird der Pferdedarm träge und Koliken können die Folge sein.

Im Dickdarm werden große Teile der Fasern aus dem Heu von der Darmflora zu kurzkettigen Fettsäuren abgebaut. Aus diesen Fettsäuren gewinnt das Pferd den größten Teil seiner Energie. Die Bakterien sind auf bestimmte Nährstoffe spezialisiert. Insbesondere eine stabile zellulolytische Flora, also die Bakterienarten, die Zellulose abbauen, ist für einen gesunden Pferdedarm von zentraler Bedeutung.

Jede Futterumstellung in Bezug auf die Faserart (z. B. Heuchargenwechsel, plötzlicher Koppelgang) führt zu einer Änderung der Darmflora. Die Darmflora des Pferdes ist darauf angewiesen, dass ihr ausreichend verdauliche Rohfaser zur Verfügung steht. Bei einem Mangel an blatt- und damit zellulosereichem Pferdeheu (z. B. insgesamt zu wenig Heu, sehr grobes Heu, viel Stroh als Heuersatz) kommt es zu Veränderungen in der Darmflora und einer schlechteren Verdauung der Fasern. Füttert man zusätzlich große Mengen Getreidestärke, vermehren sich stärkespaltende Mikroorganismen. Das Darmmilieu säuert sich an, säureempfindliche Bakterien sterben ab: Das empfindliche Mikrobiom gerät aus dem Gleichgewicht. Verdauungsstörungen, wie Kotwasser und Blähungen, Unwohlsein bis hin zur Kolik, angelaufene Hinterbeine und sogar Hufrehe können die Folge sein.

Mindestmenge Raufutter

Pferde bzw. Ponys sollten täglich eine Mindestmenge an Raufutter aufnehmen, um ihr natürliches Fressverhalten über viele Stunde ausleben zu können und optimale Bedingungen für die Verdauung (zum Beispiel hohe Speichelbildung und ausreichend Nährstoffe wie Zellulose für die Darmbakterien) zu schaffen. Die Mindestempfehlung für Raufutter ist so berechnet, dass Pferde unter Erhaltungsbedingungen (d. h. ohne Arbeit) ihren Energiebedarf komplett über das Heu abdecken können. Wie viel Energie genau enthalten ist, kommt jedoch sehr auf das Heu/Heulage an. Früh geschnittenes, energiereiches Heu liefert mit 1,7 kg/100 kg Körpergewicht häufig schon genügend Energie, selbst für Pferde in leichter Arbeit.

Mindestempfehlung Raufutter Pferd:

  • Heu (86 % Trockensubstanz): 1,7 kg / 100 kg Körpergewicht
  • Heulage, relativ trocken (77 % Trockensubstanz): 2,0 kg / 100 kg Körpergewicht
  • Heulage, leicht feucht (65 % Trockensubstanz): 2,3 kg / 100 kg Körpergewicht
  • Bei Pferden mit niedrigem Energiebedarf (z. B. dicke Ponys, besonders leichtfuttrige Pferde, Pferde, die abnehmen sollen), können in Extremfällen bis zu 50 % der Heuration durch Stroh ersetzt werden (Cave Verstopfungsgefahr, wenn das verwendete Heu bereits grobstängelig ist, dann Strohmenge auf maximal 30 % der Heuration begrenzen)

Bei Pferden mit einem erhöhten Energiebedarf (Zuchtpferde, Sportpferde, Pferde im Wachstum) darf gerne mehr Heu gefüttert werden, wir empfehlen mindestens 2 kg / 100 kg KGW. Diese Pferde profitieren von einem Heu mit hohem Energiegehalt. So wird die Energielücke, die durch Kraftfutter geschlossen werden muss, nicht zu groß. Versorgungslücken durch den Einsatz eines minderwertigen, energiearmen Raufutters sind bei diesen Pferden kaum durch Krippenfutter auszugleichen, ohne gleichzeitig Verdauungsstörungen zu riskieren.

Die Heumenge sollte so über den Tag verteilt werden, dass möglichst keine Fresspausen über 4 Stunden entstehen. Das bedeutet, vor der größten Fütterungspause muss auch die größte Heuportion gefüttert werden, in den meisten Ställen heißt das abends. Darf ein Pferd nicht so viel Heu bekommen oder frisst es sehr schnell, dann muss eine Lösung gefunden werden, um Fresspausen zu minimieren. Elektrische Heuraufen und Fütterungsautomaten können ebenso wie engmaschige Heunetze und Heuboxen helfen, Fresspausen zu minimieren. Welche Lösung die beste ist, kommt auf das individuelle Pferd und die räumlichen Gegebenheiten an.

Maximalmenge

Eine feste Obergrenze für Raufutter gibt es nicht. Die Menge, die höchstens gefüttert werden sollte, hängt von Energiebedarf und der Rittigkeit Ihres Pferdes ab. Mit Heu ad libitum nehmen viele Pferde mehr Energie auf, als sie verbrauchen. Dadurch entsteht Übergewicht, was wiederum schwerwiegende gesundheitliche Probleme wie Hufrehe begünstigt. Auch die Rittigkeit wird unserer Erfahrung nach durch zu viel Raufutter negativ beeinflusst, vor allem wenn es sich um verholztes und somit schwer verdauliches Heu oder Stroh handelt. Die schwer verdaulichen Fasern liegen unverdaut im Darm und erreichen schnell ein erhebliches Volumen und Gewicht. Das Gewicht wird zusätzlich durch an Fasern gebundenes Wasser noch erhöht und zieht den Rücken nach unten, was ein freies Schwingen erschwert. Bei einigen Pferden kann man das übertriebene Volumen als „Heubauch“ sogar von außen sehen. Dieser Bauch steht den Hinterbeinen schlicht und einfach im Weg, was ein optimales Treten unter den Schwerpunkt deutlich erschwert. 

Heu wiegen

Schätzen ist nicht wiegen und gerade bei Heu verschätzt man sich leicht. Ein Heuberg kann riesig aussehen, aber größtenteils aus Luft bestehen, während eine gepresste Scheibe Heu wenig aussieht, aber viel wiegen kann. Da jedes Kilo Heu ungefähr so viel Energie wie 500–700 g Hafer liefert, macht 1 Kilogramm mehr oder weniger durchaus einen beachtlichen Unterschied. Für jedes Pferd ist es gut, regelmäßig (z. B. monatlich) die gefressene Heumenge zu kontrollieren. So lässt sich auch frühzeitig erkennen, sollte das Pferd schlechter fressen. Für Pferde, deren Fütterung möglichst exakt sein sollte, ist Heuwiegen allerdings ein Muss, am besten wöchentlich. Dazu zählen neben Sportpferden auch übergewichtige, untergewichtige und alte Pferde.

Heu ist nicht gleich Heu

Je nach Pflanzen auf der Wiese, Düngung, Schnittzeitpunkt im Verlauf des Pflanzenwachstums, Ernte- und Lagerbedingungen können der Nährstoff- und Energiegehalt von Heu stark schwanken. Besonders entscheidend für den Energiegehalt und damit die Eignung für die unterschiedlichen Bedürfnisse verschiedener Pferde ist der Schnittzeitpunkt.

Für leichtfuttrige Pferde eignet sich energieärmeres spät geschnittenes Heu durchaus gut. Schwerfuttrige Pferde sollten lieber ein frühgeschnittenes energiereiches Heu oder sogar ein gut strukturiertes Grummet (2. Schnitt) bekommen. Anhand der enthaltenen Blätter, Blüten und Ähren (Samenstände) lässt sich der Schnittzeitpunkt eines Heus bestimmen.

Stroh als energiearme Heualternative

Die Halme von ausgereiftem Getreide stellen nach dem Drusch ein faserreiches, aber eher schwer verdauliches, abgestorbenes Pflanzenmaterial dar, welches energie- und proteinarm ist und außer zur Beschäftigung und als saugfähige Einstreu zur Nährstoffversorgung von Pferden kaum etwas beiträgt. Auch wenn es ein kaufähiges Material darstellt, sollte die Raufuttergabe nur zu rd. 30 % aus Stroh bestehen. Bei einer Strohaufnahme von 1 kg / 100 kg KGW, steigt die Gefahr von Verstopfungskoliken massiv an. Untersuchungen zum Futteraufnahmeverhalten von Pferden konnten zeigen, dass Stroh nur bedingt als Beschäftigungsmaterial im Austausch zu Heu angenommen wird. Bei dicken Pferden, die abnehmen müssen, kann durch das Mischen von Heu und Stroh die Energieaufnahme über die Raufutterration erfolgreich gesenkt werden und eine selektive Aufnahme von nur Heu oder Stroh unterbunden werden.