Zucker und Stärke in der Pferdefütterung
Ohne Zucker, sprich Glukose, können unsere Pferde nicht leben. Der Einfachzucker Glukose ist DAS Energiesubstrat für die Zelle. Nicht nur die Muskulatur, auch das Gehirn ist auf die Zufuhr von Glukose angewiesen. Ähnlich wie in der Humanernährung gilt aber für Zucker wie auch seine Speicherform im Futtermittel (die sog. Stärke): Die richtige Menge ist entscheidend. Zu viel Zucker und Stärke in der Fütterung wird besonders für Pferde mit Magenproblemen oder gestörtem Zuckerstoffwechsel (EMS, Cushing, PSSM) zum Problem. Doch auch bei gesunden Pferden wirkt sich zu viel Stärke negativ auf Leistungsfähigkeit und die Darmflora aus.
Interessant ist daher, welche Futtermittel wie viel Zucker und Stärke enthalten. Heu ist mit durchschnittlich 10 % keineswegs zuckerfrei, liegt damit aber immer noch deutlich unter dem Hafer mit einem Anteil von ca. 40 % Zucker und Stärke. Als zuckerarme, aber dennoch energiereiche Futtermittel kommen z. B. Öl und unmelassierte Rübenschnitzel in Frage.
Zucker und Zuckerarten
Wenn wir von Zucker sprechen, so meinen wir in der Regel die Zuckerarten, die im Dünndarm direkt durch die Darmwand aufgenommen werden können. Dazu zählen Traubenzucker (Dextrose, Glukose) und Fruchtzucker (Fruktose), beide gehören zu den Einfachzuckern. Oder aber wir meinen die Zuckerarten, die als Mehrfachzucker bezeichnet werden und daher durch körpereigene Enzyme erst aufgespalten werden müssen, um durch die Dünndarmwand überhaupt aufgenommen werden zu können. Dazu zählen der im Haushalt verwendete Industriezucker (aus Zuckerrüben gewonnene Saccharose, bestehend aus Fruktose + Glukose) und der Milchzucker (Laktose, bestehend aus Glukose + Galaktose). Für den Industriezucker besitzt das Pferd die Saccharase als körpereigenes Enzym für die Verdauung. Eine Sonderstellung nimmt der Milchzucker (Lactose) ein. Während Fohlen eine natürliche Aktivität des Milchzucker spaltenden Enzyms Laktase besitzen, geht diese Eigenschaft, Milchzucker im Dünndarm spalten und verwerten zu können, im Laufe des Wachstums verloren.
Aber es gibt auch Zucker, die nicht durch körpereigene Enzyme spaltbar sind. Das ist zum einen der Milchzucker bei erwachsenen Pferden, aber auch der zum Beispiel im Weidegras gefürchtete Speicherzucker der Pflanze, das Fruktan. Diese und weitere Zucker, die nur mit Hilfe von Mikroorganismen, also durch Fermentation im Dickdarm langsam oder schnell abgebaut werden können, erklären wir Ihnen im Themenkomplex Raufutter.
Ein wichtiger Unterschied bleibt: Die schnell im Dünndarm aufgenommenen Zucker führen zu einem schnellen und hohen Anstieg des Blutzuckerspiegels, während die Zucker, die aus der Fermentation im Dickdarm stammen, ihre Wirkung auf den Blutzuckerspiegel langsam entfalten. Hier lautet das Ziel: Gleichmaß statt ständiges hoch und runter im Blut. Zucker ist also nicht gleich Zucker. Ohne Zucker geht es nicht, woher der Zucker kommt und wo er verdaut wird, macht den Unterschied.
Stärke
Die typischen stärkereichen Futtermittel sind die Getreide. Stärke besteht aus miteinander verbundenen Einfachzuckern, sog. Glukosemolekülen. Die Bindungen zwischen den einzelnen Glukosemolekülen der Stärke müssen zunächst aufgespalten werden. Dies geschieht im Dünndarm des Pferdes durch körpereigene Enzyme (je nach Getreideart und technischem Aufschluss des Getreides z. B. durch Flockung). Erst dann kann die zerlegte Stärke über die Darmschleimhaut aufgenommen werden. Stärke, die unverdaut bis in den Dickdarm gelangt, steht für das Pferd als Energiequelle nahezu nicht mehr zur Verfügung und kann aber die dort so wichtige Bakterienflora durcheinanderbringen.
Auch für die Stärke gilt: Stärke ist nicht gleich Stärke. Je nachdem wie die Glukosemoleküle verbunden sind und welche Form die Zuckerkette einnimmt, ist Stärke mehr oder weniger gut im Dünndarm des Pferdes verdaulich. Die Bindungen können durch thermische Behandlung verändert werden. Das erklärt, warum die Stärke aus einem ganzen, nicht thermisch vorbehandelten Maiskorn nur schlecht im Dünndarm abgebaut werden kann, eine durch Hitze aufgepoppte Maisflocke dagegen gut. Probieren Sie es selbst aus – beim nächsten Kinoabend bekommt die eine Saalhälfte Maiskörner zum Naschen, die anderen Zuschauer dürfen Popcorn genießen. Sie werden sich schnell der Gruppe der Popcornesser anschließen wollen.
Auch beim Pferd ist die Verdaulichkeit der Stärke ein wichtiger Parameter für die Eignung als Futtermittel beim Pferd. Futtermittel mit schlechter Stärkeverdaulichkeit gehören nicht auf den Futterplan, da unverdaute Stärke aus dem Dünndarm in den Dickdarm gelangt und dort durch Fermentation Schaden anrichten kann.
Hier ein kurzer Überblick:
Tabelle 1: Verdaulichkeit (VQ) der Stärke im Dünndarm des Pferdes in %
Futtermittel | VQ in % |
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Haferkörner | 80 – 95 |
Maiskörner | 29 |
Maisschrot | 47 |
Mais gepoppt | 90 |
Gerste geschrotet | 22 |
Wo lauern Stärke und Zucker?
Nahezu alle Futtermittel enthalten Zucker, viele auch Stärke. Zucker findet sich auch im Raufutter, während Stärke insbesondere im Getreide zu finden ist. Tabelle 2 zeigt eine Auswahl typischer Pferdefuttermittel mit entsprechendem Zucker- und Stärkegehalt.
Tabelle 2: Stärke- und Zuckergehalte typischer Futtermittel für Pferde, Angabe in g je kg, bzw. in g je Mengenbeispiel
Raufutter | Zuckergehalt je kg | Stärkegehalt je kg | Stärke(S)- und Zucker(Z)- Eintrag in Pferderationen eines Pferdes mit 600 kg Körpergewicht |
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Weidegang Mitte Mai 6 Stunden | 32 g | 0 g | Bsp. 32 kg Gras Z: 1024 g, S: 0 g S + Z: 1024 g |
Weidegang Mitte Mai 12 Stunden | 32 g | 0 g | Bsp. 57 kg Gras Z: 1824 g, S: 0 g S + Z: 1824 g |
Heu früher 1. Schnitt zuckerreich | 120 g | 0 g | Bsp. 12 kg Heu Z: 1440 g, S: 0 g S + Z: 1440 g |
Heu später 1. Schnitt zuckerarm | 35 g | 0 g | Bsp. 12 kg Heu Z: 420 g, S: 0 g S + Z: 420 g |
Heucobs | 100 g | 12 g | Bsp. 12 kg Heu Z: 1200 g, S: 144 g S + Z: 1344 g |
Stroh | 0 g | 0 g | Bsp. 1 kg Stroh S + Z: 0 g |
unmelassierte Rübenschnitzel | 50 g | 0 g | Bsp. 1 kg Rübenschnitzel (vor dem Einweichen) Z: 50 g, S: 0 g S + Z: 50 g |
Getreide | Zuckergehalt je kg | Stärkegehalt je kg | Stärke(S)- und Zucker(Z)- Eintrag in Pferderationen eines Pferdes mit 600 kg Körpergewicht |
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Maiscobs (ganze Pflanze) | 90 g | 364 g | Bsp. 1,5 kg Maiscobs Z: 135 g, S: 546 g S + Z: 681 g |
Hafer | 8 g | 400 g | Bsp. 1,5 kg Hafer Z: 12 g, S: 600 g S + Z: 612 g |
Ergänzungs- | Zuckergehalt je kg | Stärkegehalt je kg | Stärke(S)- und Zucker(Z)- Eintrag in Pferderationen eines Pferdes mit 600 kg Körpergewicht |
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Sportmüsli (35 % S + Z) | 25 g | 330 g | Bsp. 1,5 kg Müsli Z: 38 g, S: 495 g S + Z: 533 g |
Müsli stoffwechselsensible Pferde (14,5% S + Z) | 35 g | 110 g | Bsp. 1,5 kg Müsli Z: 53 g, S: 165 g S + Z: 218 g |
Die Tabelle 2 zeigt sehr deutlich, dass bereits 1,5 kg Hafer rund 42,5 % an Zucker und Stärke einer 12 kg Heuration (zuckerreiches Heu) in die Ration bringen. Auch junges Gras enthält nicht unerhebliche Mengen an Zucker. Gesunde Pferde kommen mit Stärke und Zucker zurecht, so lange nicht zu viel davon auf einmal gefüttert wird, d. h die Verdauungskapazität des Dünndarms nicht überschritten wird. Daher sollten max. 300 g pro 100 kg Körpergewicht an Hafer oder getreidereichem Kraftfutter pro Mahlzeit gefüttert werden. Maximal heißt: Weniger ist besser.
Für stoffwechselsensible Pferde, die eine Störung des Zuckerstoffwechsels aufweisen (z. B. Hufrehepatienten mit Equinem metabolischem Syndrom oder Cushing, Pferde mit PSSM Typ 1), spielt die Auswahl und Menge der Futtermittel eine große Rolle. Hier sind auch kleine Mengen stärke- und zuckerreicher Futtermittel meist schon zu viel. Dann ist es besonders wichtig, die Gesamt-Zucker- und Stärkeaufnahme zu begrenzen und diese Nährstoffe kontinuierlich in kleinen Mengen über den Tag verteilt anzubieten, wie es beispielsweise mit 1,5 – 2,0 kg zuckerarmem Heu/100 kg Körpergewicht möglich ist.
Risiken für den Dickdarm und das Mikrobiom
Im Dünndarm nicht abgebaute Stärke gerät in den Blinddarm und wird dort mikrobiell abgebaut. Ein übermäßiger Zustrom von Stärke in den Blinddarm führt zu einer Umschichtung der Darmflora. Die Auswirkungen sind eine vermehrte Säure- und Gasbildung im Blinddarm! Dazu muss man wissen, dass die Mikroflora im Dickdarm auf einen bestimmten pH-Wert angewiesen ist. Dieser wird beeinflusst durch das Substrat, was im Blinddarm abgebaut wird. Bei reiner Heufütterung liegt der pH-Wert im Blinddarm zwischen 6,6 – 7,5. Bei ungestörter Fermentation im Blinddarm des Pferdes entsteht vor allem Essigsäure, in geringerem Umfang auch Propion- und Buttersäure (kurzkettige, flüchtige Fettsäuren). Sie dienen als Energielieferant für die Mikroflora und die Darmwandzellen und werden über die Dickdarmwand aufgenommen und zur Energiegewinnung genutzt. Mit steigendem Kraftfutteranteil und damit höherem Getreide- bzw. Stärkeanteil in der Ration kann nicht im Dünndarm abgebaute Stärke in den Blinddarm gelangen. Dadurch ändern sich die entstehenden kurzkettigen Fettsäuren. Es wird mehr Propion- und Buttersäure gebildet und es entsteht auch Milchsäure. Der Anteil an Essigsäure dagegen nimmt ab. Das führt auch zu einer Änderung des pH-Wertes im Blinddarm. Da jeder Keim einen „Wohlfühl pH-Wert“ hat, kommt es zu der besagten Änderung der Mikroflora. Gelangt also Stärke in den Blinddarm, weil das Kraftfutter im Dünndarm schlecht verdauliche Stärke enthält oder die Menge pro Portion schlichtweg zu hoch ist, um im Dünndarm abgebaut zu werden, sinkt der pH-Wert im Blinddarm. Damit wird es "ungemütlich" für die wichtige "gewünschte Mikroflora", welche die Zellulose aus dem Raufutter abbauen soll. Nachvollziehen kann man ein „Zuviel an Stärke im Dickdarm“ anhand folgender Faustregeln:
- Begrenze die Stärkemenge je Mahlzeit auf maximal 1 g Stärke/kg Körpergewicht
- Umgerechnet heißt das, eine Kraftfuttermahlzeit sollte auf maximal 300 g/100 kg Körpergewicht begrenzt werden (= max. 1,5 kg Kraftfutter/Mahlzeit für ein 500 kg Pferd)
- Der Kot pH-Wert sollte nicht < 6,5 sein
Ein wichtiger Aspekt sei noch erwähnt. Der Anteil an Stärke bzw. Kraftfutter beeinflusst durch die Änderung der Fermentationsprodukte (kurzkettige Fettsäuren) auch den Wasserfluss, der mit dem Nahrungsbrei vom Dünndarm in den Dickdarm gelangt. Je mehr Kraftfutter gefüttert wird, desto weniger Wasser gelangt in den Dickdarm. Zum anderen kann es die Funktionen der Darmwandzellen empfindlich stören, die den Austausch von Elektrolyten und Wasser zwischen Darminhalt und Blut regulieren.
Warum ist das von Bedeutung? Ist doch nur Wasser, oder? Der Dickdarm stellt einen wichtigen Wasserspeicher dar, insbesondere wenn unsere Pferde schwitzen. Stören wir das empfindliche System, reduzieren wir die Wasserspeicherkapazität des Dickdarms. Besonders bei Sportpferden und Pferden, die schlecht trinken, kann die Folge eine Eintrocknung des Kotes (Verstopfungskolik) und eine Austrocknung des Körpers (Dehydratation) nach sich ziehen. Und ein ausgetrockneter Körper mit schlecht durchbluteter Muskulatur ist nicht leistungsfähig.
Fazit: Eine übermäßige Stärkeanflutung im Dickdarm erhöht das Risiko für:
- Blähungen
- Koliken
- Kotwasserbildung
- Durchfall
- Hufrehe
- Austrocknung (Dehydration) bei starkem Schwitzen oder schlechter Wasseraufnahme
Der Zweifachzucker Laktose wird beim erwachsenen Pferd im Dünndarm gar nicht abgebaut, weil die Aktivität des spaltenden Enzyms, der Laktase, nur beim Saugfohlen vorhanden ist. Deshalb gerät beim Pferd auch die Laktose unverdaut in den Dickdarm und wird dort vom Mikrobiom fermentiert und zu kurzkettigen Fettsäuren abgebaut. In der Praxis macht man sich diese Ansäuerung zu Nutze, um eine inaktive Dickdarmflora zu stimulieren (geben Sie Ihrem Pferd aber bitte nicht ohne vorherige Rücksprache mit uns oder Ihrem Tierarzt einfach Milchzucker!). Eingesetzt wird Laktose beispielsweise bei Pferden mit schweren Leberfunktionsstörungen oder Salmonellose. Fohlen hingegen können die Laktose (Milchzucker) noch sehr gut verdauen. Dafür können Fohlen den Zweifachzucker Saccharose (Würfelzucker ist Saccharose) in nennenswerten Mengen erst ab dem 7. Lebensmonat verdauen. Das macht Sinn, denn das Fohlen ernährt sich normalerweise in den ersten Lebensmonaten von der milchzuckerreichen Muttermilch und nimmt von Natur aus erst ab dem 7. Monat größere Mengen an Pflanzennahrung auf.
Risiken für den Zuckerstoffwechsel
Wie bereits erwähnt, werden Stärke und Zucker (Saccharose) durch die Verdauungsvorgänge zum Einfachzucker Glukose zerlegt. Diese Glukose findet sich dann im Blut wieder, das ist überlebenswichtig, kann doch das Gehirn seine Energie ausschließlich aus Glukose beziehen. Glukose ist also ein unerlässlicher Stoff in unserem Körper. Aber wie wird diese Zuckerverteilung im Körper eigentlich reguliert? Unser Blutzuckerspiegel (und auch der unserer Pferde) wird von Hormonen kontrolliert und sobald größere Mengen an Glukose im Blut erscheinen (z. B. nach Aufnahme einer stärke- und/oder zuckerreichen Nahrung), wird von den ß-Zellen der Bauchspeicheldrüse das Hormon Insulin ins Blut ausgeschüttet. Unter der Einwirkung von Insulin wird vermehrt Glukose aus dem Blut in die Körperzellen (insbesondere Muskel- und Leberzellen) aufgenommen und in Form von Glykogen (Speicherform der Glukose in Säugetierzellen) gespeichert, entsprechend verschwindet der Zucker aus dem Blut und der Blutzuckerspiegel sinkt.
Je größer die Menge an Glukose ist, also z. B. je mehr getreidereiches Kraftfutter pro Mahlzeit gegeben wird, desto mehr Insulin wird ausgeschüttet. Halten sich der Glukoseverbrauch in den Zellen und der Nachschub aus dem Verdauungstrakt mengenmäßig die Waage, so bleibt der Blutzuckerspiegel konstant und entsprechend wenig Insulin wird benötigt.
Der Gegenspieler des Insulins ist das Hormon Glukagon, das beim Absinken der Blutglukose den Abbau des Glykogens und somit eine Freisetzung der Glukose aus den Speicherreserven bewirkt.
Durch z. B. Übergewicht kann der Zucker- und Insulinstoffwechsel gestört werden. Zunächst entwickeln die Pferde eine sog. Insulindysregulation, d. h. der Körper bildet bei der Zufuhr von Zucker exzessiv viel Insulin, der Insulinspiegel steigt stark an. Weiterhin können die Pferde eine Insulin-Resistenz an den Insulin-Bindungsstellen der Zellen im Körpergewebe (Insulin-Rezeptoren) entwickeln. Diese sprechen dann nur noch schlecht auf das Insulin an. Dann muss noch mehr Insulin gebildet werden, um überhaupt noch eine Reaktion an der Zelle auszulösen, damit der Einstrom von Glukose in die Zelle funktioniert. Das Insulin wie auch die Glukose sind regelrecht im Blutkreislauf gefangen. Doch Zucker braucht auch der Insulinresistente, denn der Zuckerstoffwechsel muss zumindest in Grundzügen erhalten werden, das ist überlebenswichtig. Deshalb benötigt das Pferd mit Insulinresistenz eine ausgewogene, zuckerarme Diät, bei der bestimmte Glukosemengen nicht überschritten werden, um die Schwankungen im Blut möglichst gering zu halten.
Normaler Verlauf der Insulingehalte im Blut eines gesunden Pferdes im Vergleich zu einem insulinresistenten Pferd, bei dem 1 g Zucker (Glukose)/kg KGW in den Magen gegeben wurde:
Beim gesunden Pferd im Bild a (Abb. 1 links) ist deutlich zu erkennen, dass der Insulinspiegel nach einer Zuckerration (in etwa vergleichbar mit 1,2 kg Hafer) bis 120 min nach Fütterung ansteigt, ohne aber in die Nähe des kritischen Insulinwertes von 110 µIU/ml zu klettern, welcher als kritischer Grenzwert bei Verabreichung von 1 g Glukose/kg Körpergewicht in Studien ermittelt wurde. Füttert man die gleiche Menge Glukose einem stoffwechselsensiblen Pferd mit einer Insulindysregulation zu (z. B. Pferd mit Equinem metabolischem Syndrom oder Cushing), wird deutlich (Bild b, Abb. 1 rechts), dass der Körper immer mehr Insulin ausschüttet, weil dessen Wirkung ausbleibt. Bereits nach 30 Minuten wird die blaue Linie (kritischer Insulinwert von 110 µIU/ml) überschritten. Der Blutzuckerspiegel senkt sich aber nur langsam. Der Insulinspiegel bleibt auch Stunden nach der letzten Futteraufnahme deutlich über dem Grenzwert (blaue Linie).
Pferde mit solch einer Insulindysregulation haben ein besonders hohes Risiko, eine hormonbedingte Hufrehe zu entwickeln (Ursache von 70 – 89 % aller Hufrehen beim Pferd). Der hohe Insulinspiegel scheint der Hufrehe auslösende Faktor zu sein. So konnte in Studien am gesunden Pferd durch einen künstlich hervorgerufenen, stark überhöhten Blut-Insulinspiegel eine Hufrehe ausgelöst werden. Bei Ponys mit einer Insulindysregulation reichte eine hochdosierte Kohlenhydratration über mehrere Tage aus, um ebenfalls eine Hufrehe auszulösen. Anfällig für solche Störungen sind leichtfuttrige Pferde wie Ponys, Robustrassen oder schwere Pferderassen, da deren Energiebedarf häufig überschätzt wird und sie schlicht und einfach zu dick gefüttert werden.
Wie kann ich Zucker in der Ration reduzieren?
Der einfachste Ansatz ist, Futtermittel mit hohen Stärke- und Zuckergehalten zu erkennen und ihre Menge in der Ration zu begrenzen oder sie wegzulassen. Für zucker- und stärkeempfindliche Pferde heißt das:
- Verzicht auf Getreide, getreidereiche Mashs, Müslis und Leckerlis
- Kein Obst, keine melassierten Rübenschnitzel (nur melassefreie)
- Verzicht auf freien Zugang zu jungem Gras (begrenzte Zeit auf späteren Aufwüchsen mit Fressbremse möglich)
- Heu wässern (10 – 15 min.) oder bedampfen (zur Reduktion leicht löslicher Kohlenhydrate)
- Auswahl eines spät geschnittenen Heus (zuckerarm), am besten mit im Labor analysiertem Zuckerwert
- Für zuckerempfindliche Pferde mit erhöhtem Energiebedarf (z. B. Cushing, PSSM, magenempfindliche Pferde):
o Stärke durch Fett (Öl) ersetzen (300 ml Öl ersetzen energetisch 1 kg Hafer)
o Ergänzungsfutter anhand des Stärke- und Zuckergehaltes auswählen und mengenmäßig begrenzen
o Faustregel: max. 15 % Stärke, max. 150 g/100 kg Körpergewicht pro Mahlzeit
Von Interesse ist unter anderem der Gehalt an Zucker im Heu, insbesondere für Besitzer von Pferden mit einer Insulinresistenz, d. h. Pferde mit einem gestörten Zucker- bzw. Insulinstoffwechsel. Ein typisches Beispiel sind dicke Pferde mit dem Equinen metabolischen Syndrom (EMS). Um den Zuckergehalt des Heus bestimmen zu können, bedarf es allerdings einer gesonderten Analysemethode, die nur in speziellen Labors angeboten wird. Heu für stoffwechselkranke Pferde sollte weniger als 10 % Zucker enthalten. Die Gehalte sind meist höher, je früher im Jahr das Heu geschnitten wurde und je kräuterreicher es ist.
Deshalb wird Heu häufig gewässert, d. h. es wird für 10 – 15 Minuten in frischem Wasser vollständig getaucht. Dadurch können bis zu 25 % der wasserlöslichen Kohlenhydrate ausgewaschen werden. Gleichzeitig werden aber auch dünndarmverdauliche Aminosäuren ausgewaschen (bis 35 %), die es dann durch einen Aminosäurenergänzer auszugleichen gilt (z. B. Magnovital®). Ein weiterer Effekt, der sich durch das Wässern nicht verhindern lässt, ist der gleichzeitige Verlust von z. B. Phosphor, Kalium, Natrium, Magnesium, Zink, Mangan, Kupfer und Eisen. Diese Verluste sind über ein Mineralfutter (z. B. Magnostable®, Magnolythe® S100, Magnometabol®, Magnostar®) jedoch leicht auszugleichen.
Bei dem Bedampfen von Heu (ca. 45 Minuten wird das Heu mit 100 °C heißem Wasserdampf umströmt) sind vergleichbare Verluste für die Mengen- und Spurenelemente, wie auch die Reduktion der Aminosäuren zu erwarten. Was die Reduktion von wasserlöslichen Zuckern durch das Bedampfen angeht (Glukose, Fruktose, Saccharose, Fructane), so zeigen die Studien unterschiedliche Werte. Von 0 – 25 % ist auch hier eine Reduktion der Zucker möglich, aber nicht garantiert. Klarer Vorteil des Bedampfens: Das Heu wird durch die Hitze hygienisiert, d. h. Hefen, Bakterien und Pilze werden reduziert, während gewässertes Heu schnell verdirbt und nur direkt nach 15-minütigem Wässern gefüttert werden darf, da innerhalb weniger Stunden die Keimgehalte in gewässertem Heu explosionsartig ansteigen.
Zucker in unseren Produkten
Da manche unserer Produkte dragiert sind, d. h. eine dünne Saccharoseschicht enthalten, erreicht uns häufig die Frage, ob wir z. B. Magnolythe® S100 auch ohne Zucker anbieten könnten. Natürlich können wir, allerdings ist dies mit Nachteilen verbunden, die gegen die Vorteile abgewogen wurden. Magnolythe® S100 ist bewusst dragiert und enthält dadurch geringe Mengen Zucker. Die Dragierung ist ein sehr aufwendiges Verfahren, das wir anwenden, um die teilweise extrem empfindlichen Substanzen vor Luftfeuchtigkeit und Luftsauerstoff zu schützen. Das garantiert Ihnen und Ihrem Pferd höchste Qualität und Haltbarkeit der Inhaltsstoffe. Und die Dragierung bietet zudem noch den enormen Nutzen, dass bestimmte Rohstoffe, die sich in einer Mischung gegenseitig negativ beeinflussen würden, sorgsam voneinander getrennt werden können und somit jede negative Beeinflussung vermieden wird.
Mit 60 g Magnolythe® S100 bekommt ein Pferd mit 600 kg Körpergewicht gerade mal 6 g Saccharose und 2,4 g Glukose (= Gesamt-Zucker 8,4 g). Der "Nachteil" aus der Aufnahme von Zucker ist entsprechend vernachlässigbar. Rechnerisch entspricht der Zuckergehalt einer Tagesration für ein 600 kg schweres Pferd, einer Menge von ca. 130 g durchschnittlichem Heu.