Atypische Weidemyopathie
Die Atypische Weidemyopathie bezeichnet einen Zerfall von Muskelfasern (Rhabdomyolyse) in Folge einer Vergiftung mit Samen und Keimlingen des Berg- und Eschenahorns. Die Symptome ähneln anderen Rhabdomyolysen, wie dem Kreuzverschlag. Da die Vergiftung häufig tödlich endet und sich die Samen mit dem Wind sehr weit verbreiten, ist es sinnvoll im Herbst zu kontrollieren, ob sich giftige Ahornbäume bzw. deren Samen oder Keimlinge in Reichweite von Pferden befinden.
Die Symptome reichen von Kolik-artigem Verhalten bis hin zu Kreuzverschlag-Symptomen. Besteht der Verdacht auf eine Vergiftung, sollte sofort der Tierarzt kontaktiert und alle möglicherweise betroffenen Pferde in den Stall gebracht werden.
Ursache
Das Gift Hypoglycin A (HPA) stammt aus Samen und Keimlingen des Berg- und Eschenahorns. Spitz- und Feldahorn sind nach heutigem Wissensstand für Pferde ungiftig. Im Herbst fallen die Samen von den Bäumen und verbreiten sich über sehr weite Strecken. Im Frühjahr keimen die Samen, die Keimlinge enthalten ebenfalls HGA. Besonders hoch ist das Risiko für Vergiftungen in der Zeit von Oktober (Samenaufnahme) bis Februar (Keimlingaufnahme) auf abgegrasten Weiden und Paddocks ohne Heu, da die Pferde aus Langeweile oder Hunger die Samen oder Keimlinge aufnehmen.
Im Körper wird HPA zur eigentlich giftigen Methylencyclopropylessigsäure (MCPA) abgebaut. Der Giftstoff hat Einfluss auf die Fettsäureoxidation und hemmt so die Energiegewinnung aus Fett. Zum Ausgleich der fehlenden Energie wird vor allem in den Muskeln Energie anaerob (Abbau von Glukose zu Laktat ohne Sauerstoffverbrauch) bereitgestellt. Die Folge ist eine Übersäuerung der Muskeln durch sich ansammelndes Laktat. Durch zusätzliche Fettsäurespeicherung (durch den gehemmten Fettsäureabbau) in Zellen kommt es zum Zelltod.
Auch für Saugfohlen ist HGA gefährlich, da die Milch von Stuten, die Hypoglycin A aufgenommen haben, ebenfalls den Giftstoff enthält (Sander et al., 2021).
Erste Symptome sind 12 bis 48 Stunden nach dem Verzehr der giftigen Pflanzenteile zu erwarten.
Symptome
Die Symptome der Atypischen Weidemyopathie reichen von kreuzverschlag-ähnlichem Verhalten bis zu Kolik-symptomen:
- Dunkler, rot-schwarzer Urin (sog. Myoglobinurie)
- Steifer schwankender Gang
- Muskelzittern
- Apathie (Schwäche)
- Schwitzen
- Mattigkeit
- Forcierte Atmung
- Erhöhter Puls
- Blasse Schleimhäute
- Stürzen, Festliegen
- Milde Kolik
Da die Atypische Weidemyopathie häufig tödlich endet, ist es sehr wichtig bei auftretenden Symptomen und Verdacht auf die Aufnahme von Ahornsamen oder Keimlingen sofort einen Tierarzt zu rufen. Je schneller eine Therapie erfolgt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass das betroffene Pferd überlebt. Schaffen es die Pferde, die ersten 5 Tage nach der Vergiftung zu überstehen, verbessert sich die Überlebensrate deutlich.
Diagnostik
Die erste Diagnose erfolgt anhand der klinischen Symptome und des Vorberichts. Auch wenn eine ganze Pferdegruppe die Möglichkeit hatte, sich mit Ahorn zu vergiften, erkranken in der Regel nicht alle. Pferde scheinen unterschiedlich empfindlich auf die Aufnahme der Samen zu reagieren. Zusätzlich nehmen sie unterschiedliche Mengen der giftigen Pflanzenteile auf und die Giftstoffmenge variiert von Samen zu Samen. Um Pferde, die HPA aufgenommen haben, zu identifizieren, können Blut- und Urinproben entnommen werden. Allerdings erkranken nicht alle Pferde mit Hypoglycin A oder MCPA-Konjugaten im Blut oder erhöhten organischen Säuren im Urin an der Myopathie. Allerdings weisen erkrankte Pferde deutlich höhere Werte für MCPA auf als asymptomatische (Bochnia et al. 2015). Insbesondere der Gehalt an MCPA im Blut kann als Maßstab für die Erkrankungswahrscheinlichkeit herangezogen werden. Zusätzlich sind die Muskelenzyme (CK, LDH) im Blut von erkrankten Pferden sehr stark erhöht (CK Werte > 600.000 U/L möglich, Werte gesunder Tiere liegen je nach Labor <558 U/L).
Therapie
Die Therapie erfolgt rein symptomatisch, das heißt, es wird versucht, den Körper bei der Ausscheidung der giftigen Metaboliten zu unterstützen und die Folgen für Muskulatur und Nieren zu minimieren.
Was Sie tun können bei Verdacht auf Atypische Weidemyopathie:
- Sofort Tierarzt rufen
- Ist ein Pferd betroffen, müssen alle Pferde von der Koppel/Paddock geholt und untersucht werden
- Stress vermeiden (Therapie im Stall ist dem Klinikaufenthalt vorzuziehen)
- Fütterung
- Vitamin E und Selen Versorgung sichern, als Antioxidantien zum Schutz der Muskeln
- Fütterung von Kohlenhydraten als Energiequelle für Muskulatur
- Direkt nach einer möglichen Aufnahme der Giftpflanzen Magnosorb® zur Unterstützung der Toxinbindung füttern: 20 g/100 kg Körpergewicht.
(Bitte keinesfalls anstatt der tierärztlichen Behandlung oder als Alternative zur Vermeidung der Aufnahme von Giftstoffen (siehe unten) einsetzen!)
- Nach überstandener Vergiftung:
- Nierenschonend füttern (z. B. wenig Vitamin D), da Muskelfarbstoff aus zerstörten Muskelzellen die Nieren zusätzlich schädigen kann
- Aminosäuren ergänzen, um Muskulatur zu regenerieren
Beispielfütterung bei Atypischer Weidemyopathie
Angaben je 100 kg Körpergewicht
- 1,8-2 kg Heu (gern zur freien Verfügung). Wenn Heu schlecht gefressen werden kann: Ausgleich der nicht gefressenen Heumenge durch Heucobs
- 150–300 g aufgekochte Haferflocken (Haferschleim, abgekühlt), leicht aufzunehmender Energielieferant mit hohem Anteil leicht verdaulicher Kohlenhydrate als Energiequelle für Muskelzellen
- 15 g Magnomyoforte®, um Versorgung mit Vitamin E, Selen und Aminosäuren zu verbessern, enthält kein Vitamin D
- 15 g Magnovital®, das enthaltene Carnitin trägt zur Energiegewinnung in der Muskelzelle bei (Fettsäurenoxidation), Aminosäuren und Vitamin E versorgen und schützen die geschädigte Muskulatur
- 20 g Magnosorb®, zur Bindung unerwünschter Stoffe im Verdauungstrakt (Toxinbindung)
Was der Tierarzt tun kann:
Leider gibt es keine Medikamente, die eine Atypische Weidemyopathie heilen können, das heißt, es erfolgt eine rein symptomatische Behandlung.
- Infusionen, um die Giftstoffe auszuspülen und die Nieren vor einer Schädigung durch Muskelfarbstoff zu schützen
- Aktivkohle zur Giftstoffbindung
- Glucose und Carnitin zur Unterstützung des Energie- und Fettstoffwechsels
- Schmerzmittel, um Schmerzen zu dämpfen
- muskelentspannende Mittel bei Muskelzittern
- laufende Kontrolle des Blutes (CK, LDH), um den Verlauf der Vergiftung beurteilen zu können
Vorbeugen: Vergiftung vermeiden
Im besten Fall kommt es erst gar nicht zu einer Vergiftung. Vorbeugen ist bekanntlich besser als heilen. Daher sollte die Aufnahme von Ahornsamen und Keimlingen verhindert werden. Dazu ist es sinnvoll, den Baumbestand in der Nähe von Pferden zu kontrollieren. Zusätzlich sollte überprüft werden, ob Samen auf Paddock oder Weide zu finden sind, da sich diese mit dem Wind weit verbreiten können. Gibt es keine Möglichkeit Ahorne in der Nähe von Pferden zu fällen oder Weiden, auf denen Samen gefunden werden, zu sperren, sollte auf abgefressenen Weiden oder Sandpaddocks Heu angeboten (nicht vom Boden) und die Koppelzeit auf unter 6 Stunden begrenzt werden. Besonders hoch ist die Gefahr einer Vergiftung von Oktober bis März, insbesondere bei Frost.
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Literaturverzeichnis:
- Bochnia M, Ziegler J, Sander J, Schaefer S, Uhlig A, Abel S, Glatter M, Recknagel S, Schusser FG, Wensch-Dorendorf M, Zeyner A (2015) Verifizierende Laborparameter in der Diagnose - Atypische Weidemyopathie beim Pferd, In: Zukunft gestalten - 40 Jahre Metabolic Monitoring - 40 Jahre Präventivmedizin. – Leipzig: 68-69
- Bochnia, M., Ziegler, J., Sander, J., Uhlig, A., Schaefer, S., Vollstedt, S., Glatter, M., Abel, S., Recknagel, S., Schusser, G. F., Wensch-Dorendorf, M., & Zeyner, A. (2015). Hypoglycin A Content in Blood and Urine Discriminates Horses with Atypical Myopathy from Clinically Normal Horses Grazing on the Same Pasture. PloS one, 10(9), e0136785.
- Katul, G.G., Porporato, A., Nathan, R., Siqueira, M., Soons, M.B., Poggi, D., Horn, H.S., Levin, S.A. (2005) Mechanistic analytical models for long-distance seed dispersal by wind. Am. Nat. 166, 368–381.
- Kruse, C., Dieu Marc, Renaud, B., François, A.-C., Boemer, F., Art, T., Demazy, C., Renard, P., & Votion, D. (2022). Proteomic profiling in equine atypical myopathy: new metabolic insights. Paper presented at FARAH-Day 2022, Liège, Belgium.
- Sander, J., Terhardt, M., & Janzen, N. (2021). Detection of maple toxins in mare's milk. Journal of veterinary internal medicine, 35(1), 606–609.
- Valberg SJ, Sponseller BT, Hegeman AD et al. (2013): Seasonal pasture myopathy/atypical myopathy in North America associated with ingestion of hypoglycin A within seeds of the box elder tree. Equine Vet J 45:419.
- Votion, D. M., François, A. C., Kruse, C., Renaud, B., Farinelle, A., Bouquieaux, M. C., Marcillaud-Pitel, C., & Gustin, P. (2020). Answers to the Frequently Asked Questions Regarding Horse Feeding and Management Practices to Reduce the Risk of Atypical Myopathy. Animals : an open access journal from MDPI, 10(2), 365.
- Westermann, C. M., van Leeuwen, R., van Raamsdonk, L. W., & Mol, H. G. (2016). Hypoglycin A Concentrations in Maple Tree Species in the Netherlands and the Occurrence of Atypical Myopathy in Horses. Journal of veterinary internal medicine, 30(3), 880–884.