Vitamine fürs Pferd - Eine Einordnung

Zwei Pferde schnuppern an einem Apfel
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Vitamine sind organische Verbindungen, die für Mensch und Tier als sog. Mikronährstoffe lebensnotwendig sind. Sie haben vielfältige Aufgaben im Organismus, sie sind Coenzyme lebenswichtiger enzymatischer Prozesse im Stoffwechsel, sind essenziell für die Immunabwehr, sind unverzichtbar für den Aufbau von Zellen und Knochen. Vitamine spielen eine maßgebliche Rolle im Energiestoffwechsel, die Liste ihrer Bedeutungen für das Leben ist nahezu endlos.

Winzige Mengen, sprich wenige tausendstel Gramm, entscheiden über die Erhaltung von Gesundheit und Leistungsfähigkeit. Der Bedarf an Vitaminen ist beim Menschen und bei den einzelnen Tierarten sehr unterschiedlich und nach wie vor teilweise nicht genau bekannt. Fast alle Haustiere können selbst ausreichende Mengen an Vitamin C synthetisieren, Meerschweinchen, Fledermäuse, einige Affen und auch der Mensch können dies nicht. Ist ein Pferd unzureichend mit Vitaminen versorgt, kommt es zu Leistungseinbußen und Symptomen von Vitaminmangel mit teils schweren Erkrankungen. Aber auch eine Überdosierung kann zu gesundheitlichen Problemen führen.

Vitamine und die Wissenschaft

So bedeutend der Einfluss von Vitaminen auf Gesundheit und Leistungsfähigkeit bei Mensch und Tier ist, die Wissenschaft steht bis heute noch vor zahllosen ungeklärten Fragen. Insbesondere beim Pferd. Vitamine haben nicht für jede Spezies dieselbe Bedeutung. Der Eisbär nimmt in seiner natürlichen Nahrung (Fisch) zwangsläufig hohe Mengen an Vitamin A auf und verträgt das auch, das Pferd dagegen kennt in seiner natürlichen Nahrung überhaupt kein Vitamin A, sondern wandelt das in seiner natürlichen Nahrung vorkommende ß-Carotin (grünes Gras) in Vitamin A um. Entsprechend ist das Pferd gegenüber überhöhten Mengen an Vitamin A in seiner Nahrung empfindlich, was bei der täglichen Versorgung, insbesondere wenn verschiedene Futtermittel mit hohen Mengen an Vitamin A eingesetzt werden, beachtet werden muss, soll es nicht zu unerwünschten Vergiftungen kommen. Bis heute ist noch nicht sicher, ob das Pferd für seinen Knochenstoffwechsel überhaupt Vitamin D benötigt. Kurzum: Es gibt bei den Vitaminen noch viele offene Fragen und ganz besonders beim Pferd zu wenig Studien.

Wie werden die Bedarfszahlen für die Vitaminversorgung beim Pferd ermittelt?

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt dem Menschen, täglich 100 mg Vitamin C aufzunehmen, die WHO dagegen nur 30 mg. Der Chemiker und zweifache Nobelpreisträger Linus Pauling empfahl dem Menschen sogar mindestens 15.000 mg Vitamin C am Tag einzunehmen. 

Das zeigt schon beim Menschen recht eindrucksvoll die Problematik bei der Festlegung von Bedarfszahlen auf. Was ist richtig, was ist falsch, was ist zu wenig und was zu viel? Vitamine sind funktionelle Nährstoffe, insofern macht es Sinn, ihren Bedarf anhand einer Dosis-Wirkungs-Beziehung zu ermitteln und zu berechnen. Wie wir an den um über 300 % voneinander abweichenden Bedarfszahlen allein von WHO und DGE oben sehen, ist das schon beim Menschen schwierig genug, beim Pferd noch schwieriger, denn die Reaktionskurven basieren häufig auf zu wenigen Daten. Darüber hinaus beeinflussen mehrere interne Faktoren (z. B. das Alter des Tieres, das Ausmaß der Bewegung und der Reproduktionsstatus) sowie externe Faktoren (Art und Qualität der Ernährung, die Anwesenheit antinutritiver Substanzen (z. B. Mykotoxine, Pflanzeninhaltsstoffe) die Menge eines einzelnen Vitamins, die für die jeweilige Stoffwechsel- oder Immunfunktion benötigt wird, was die Festlegung einer klaren Dosierungsempfehlung erschwert. Aufgrund der Bedeutung von Vitamin B1 für den Kohlenhydratstoffwechsel kann z. B. davon ausgegangen werden, dass Sportpferde mehr Vitamin B1 benötigen, wenn sie ein stärkehaltiges Futter erhalten, als wenn sie ein fettreiches Futter zu sich nehmen. Umgekehrt ist es wahrscheinlich, dass Pferde, die eine fettreiche Ernährung erhalten, von einer höheren Zufuhr von Vitamin E profitieren, weil im Fettstoffwechsel zusätzlich Vitamin E verbraucht wird. Verschiedene Gesundheitsprobleme wie Atemwegserkrankungen (RAO), Nierenerkrankungen oder Magen-Darm-Erkrankungen können ebenfalls die Verwertung und damit den Bedarf an verschiedenen Vitaminen verändern. Bedarfszahlen sind in der Praxis in zwei Bereichen wichtig:

  1. Die Menge an Vitaminen, bei deren Unterschreitung ein Mangel auftritt.
  2. Die Menge an Vitaminen, bei deren Überschreitung die Gefahr einer Intoxikation besteht.

Vitamin C stand beim Menschen über Jahrzehnte im Verdacht, in großen Mengen aufgenommen, Nierensteine auszulösen. Dies wurde in den letzten Jahren widerlegt, dafür steht nun aktuell Vitamin D3 im selben Verdacht. Der seit einigen Jahren bestehenden Empfehlung für eine den Bedarf mehrfach übersteigende Aufnahme von Vitamin D3 in gemäßigten Klimazonen mit wenig Sonnenlicht steht umgekehrt die Warnung vor Nierenversagen und Hyperkalzämie bei hoher Zufuhr von D3 gegenüber. 

Beim Pferd wissen wir noch weniger als beim Menschen. Unseres Erachtens nach verdienen aber gerade die fettlöslichen Vitamine A und D, die das Pferd in seiner natürlichen Nahrung entweder gar nicht (Vitamin A) oder nur begrenzt (Vitamin D2) aufnimmt, in Bezug auf eine mögliche Überdosierung durchaus besondere Beachtung.

Synthetisch oder natürlich?

Vitamine kommen in natürlichen Nahrungsmitteln vor und werden in ihrer dort auftretenden chemischen Struktur als natürlich bezeichnet. Das Angebot an Vitaminen schwankt in der Natur. Es kann durchaus vorkommen, dass in einer Zitrone oder Orange kaum Vitamin C enthalten ist. Hinzu kommt, dass sich der Vitamingehalt durch die Lagerung verändert. In der industriellen Herstellung werden Vitamine in kontrollierten chemischen Prozessen hergestellt oder auch von Bakterien synthetisiert und gelten dann als synthetisch. Sofern es sich im Falle der Synthese um ein und dasselbe Molekül wie in der Natur handelt und lediglich die Herkunft des Moleküls unterschiedlich ist, ist die Wirkung im Organismus gleich und das natürliche Vitamin gegenüber dem synthetisierten nicht besser/schlechter bzw. gesund/ungesund. Beispiel dafür sind die B-Vitamine, die auch industriell von Bakterien hergestellt werden. Ob diese in einem technischen Verfahren von Bakterien synthetisiert werden oder von im Dickdarm lebenden Bakterien, ändert nichts an ihrer Struktur. Das synthetisierte Vitamin K3 (Naphtochinon) unterscheidet sich dagegen in der Tat vom im Gras vorhandenen Vitamin K1 (Phylloquinon), das sagt hier bereits die Bezeichnung. Vitamin D findet das Pferd in seiner Nahrung nur als Vitamin D2, das es im Körper in die biologisch wirksame Form (Vitamin D3) umwandelt, das natürliche D2 ist also tatsächlich chemisch etwas anderes als das in Futtermitteln eingesetzte Vitamin D3. Mehr Informationen finden Sie jeweils bei den einzelnen Vitaminen.

Die Stabilität von Vitaminen

Die Aufnahme von Vitaminen mit der Nahrung unterliegt aufgrund ihrer sehr unterschiedlichen Stabilität starken Schwankungen. Bereits bei der Ernte (Vitamin E z. B.), aber auch bei der Lagerung, kann es zu erheblichen Vitaminverlusten kommen (ß-Carotin, Vitamin K1 und E). Je nach Bedingungen ist davon auszugehen, dass sich die Gehalte in Futtermitteln um bis zu 10 % pro Monat reduzieren, damit steigt im Winter die Gefahr einer Vitaminunterversorgung an, bis wieder frisches Grünfutter zur Verfügung steht.

Auch in der künstlichen Trocknung und der Mischfutterherstellung kommt es je nach Herstellungsprozess und den dabei entstehenden Temperaturen, der Dauer der Temperatureinwirkung und weiteren physikalischen Faktoren zu teilweise erheblichen Vitaminverlusten.

Die Haltbarkeit von Vitaminen ist zudem abhängig von den Lagerungsbedingungen (Lagerzeit, Feuchtigkeit, Zutritt von Sauerstoff und Licht), autooxidativen Prozessen (Vitamin A, E, C) sowie Interaktionen mit gleichzeitig vorhandenen Spurenelementen und Mineralsalzen.

Provitamine

Provitamine sind (unwirksame) Vorstufen von Vitaminen, die erst im Körper in das entsprechende biologisch wirksame Vitamin umgewandelt werden. Dabei stellt der Körper nur die Menge an Vitamin her, die der Stoffwechsel gerade benötigt. Beispiel für ein Provitamin ist der Pflanzenfarbstoff Betacarotin, eine Vorstufe von Vitamin A. Je mehr ß-Carotin in der Nahrung enthalten ist, desto weniger Vitamin A muss über das Futter zugesetzt werden, umgekehrt reicht der ß-Carotingehalt im Heu in den Wintermonaten nicht aus, um die Synthese von Vitamin A beim Pferd sicherzustellen.

Einteilung der Vitamine

Grundsätzlich wird zwischen den fettlöslichen (A, D, E, K) und wasserlöslichen (C, B) Vitaminen unterschieden. Diese Einteilung bezieht sich in erster Linie auf die chemische Eigenschaft ihrer Löslichkeit in Fett bzw. in Wasser. Fettlösliche Vitamine können im Körper gespeichert werden (Leber z. B.), was aber keineswegs zu dem Irrtum führen darf, die fettlöslichen Vitamine könnten sozusagen auf Vorrat gegeben werden. Dies gilt ganz besonders für das Pferd, bei dem eine dauerhafte oder auch einmalige extrem überhöhte Zufuhr insbesondere von den fettlöslichen Vitaminen A und D zu Intoxikationen führen kann. Die wasserlöslichen Vitamine (B-Vitamine und Vitamin C) sind in Bezug auf eine Überversorgung ungefährlich, was im Überfluss aufgenommen wird, wird problemlos wieder ausgeschieden.

Literaturverzeichnis

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Coenen, M., & Vervuert, I. (2019). Pferdefütterung. Georg Thieme Verlag.

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