Tipps zum Anweiden von Pferden im Frühling

Pferde Herde grast auf einer Frühlingswiese
Pferde Herde grast auf einer Frühlingswiese. Bild: iStock

Der Winter ist die Zeit der Entbehrung, mühsam muss das Gras unter einer Schneedecke gefunden werden, im Frühjahr beginnen zwar die ersten Halme zu sprießen, aber bis der Tisch voll gedeckt ist, vergehen noch viele Tage bzw. Wochen. Zeit genug, dass sich der Organismus auf die geänderte Nahrungsgrundlage einstellen kann.

Futterumstellung verändert die Darmflora

Bald ist es wieder soweit, die meisten Pferde dürfen nach langen, im Stall verbrachten Wintermonaten endlich wieder auf die Weide. Dass diese Umstellung von der Stallfütterung auf die Weide langsam erfolgen muss, hat sich längst sattsam herumgesprochen.

Unser heutiges Reitpferd ist – evolutionsbiologisch betrachtet – immer noch ein Wildpferd. Die wenigen tausend Jahre in menschlicher Obhut reichten nicht aus, um den Organismus an unsere Haltung anzupassen. Er ist nach wie vor an Umherziehen im Herdenverband mit rund 18 Stunden selektiver Nahrungsaufnahme adaptiert. Und Umherziehen schließt plötzliche Nahrungsumstellung aus.

Der Winter ist die Zeit der Entbehrung, mühsam muss das Gras unter einer Schneedecke gefunden werden, im Frühjahr beginnen zwar die ersten Halme zu sprießen, aber bis der Tisch voll gedeckt ist, vergehen noch viele Tage bzw. Wochen. Zeit genug, dass sich der Organismus auf die geänderte Nahrungsgrundlage einstellen kann. Unser Hauspferd ist nach wie vor ein Dickdarmverdauer, d.h. seine natürliche Nahrung besteht aus Pflanzenfasern, die von den im Dickdarm befindlichen Mikroben abgebaut werden und über diesen Weg dem Pferd als wertvolle Nährstoffe dienen. Jede Änderung der aufgenommenen Nahrung führt notgedrungen zu einer Änderung der Dickdarmflora.

Was ist Fruktan?

Ganz einfach eine Zuckerart. Jeder kennt z.B. Glucose (Traubenzucker), Saccharose (Rohrzucker und unser Haushaltszucker), Fructose (Fruchtzucker). Weniger bekannt sind die Speicherformen von Zucker: Gräser wandeln Saccharide in ihre eigene Speicherform von Zucker um: in Fruktan (Fructosan). Wieviel Fruktan gebildet wird, bestimmt die Art der Gräser, die Umgebungstemperatur und die Sonneneinstrahlung. Gräserarten wie Wiesenschwingel und insbesondere Deutsches Weidelgras bilden viel Fruktan, der Wiesenfuchsschwanz und der Rotschwingel dagegen wenig.

Nun ist nicht jeder Pferdehalter Botaniker und kann somit problemlos die prozentuale Verteilung der Gräserarten auf seiner Pferdeweide bestimmen (und kaum jemand hat zudem die Möglichkeit, die Weiden umzubrechen und neu anzusäen), und in der Praxis ist es auch für die meisten von uns schwer möglich, die Pferde nur noch strikt nach Thermometer und Sonnenlicht auf die Weide zu lassen.

Faustregel zum Fruktangehalt

Im April und Mai sind die Fruktangehalte am höchsten, sie sinken dann bis Juli ab, um wieder im Herbst deutlich anzusteigen mit neuen Höchstwerten im Oktober und November. Hintergrund dafür ist, dass das Fruktan nur im Wachstum abgebaut wird und das Graswachstum wiederum von der Temperatur abhängt.

Bei Temperaturen unter 9 Grad ist das Wachstum eingestellt, d.h. Fruktan wird vom Gras nicht verbraucht und reichert sich an. Sonnige Tage und kühle Nächte lassen den Fruktangehalt in den Gräsern ansteigen, ebenso Stress für die Pflanze, wie starker Verbiss und Trockenheit.

Hufrehe, Koliken...

Was löst letztendlich Koliken, Durchfälle oder Hufrehe aus? Das ist die einzige und entscheidende Frage für die alltägliche Praxis.

Fakt ist: nicht nur Fruktan, sondern jeder abrupte Futterwechsel kann diese Erkrankungen auslösen. Dies gilt auch für den plötzlichen Übergang von der Stallfütterung auf die Weidezeit. Die Pferde zu Beginn der Saison langsam anzuweiden, ist eine alte Binsenweisheit und behält ihre Gültigkeit auch und gerade weil wir nun dank der Forschungsarbeiten wissen, dass der Fruktangehalt der Gräser im Frühjahr (Hauptwachstumszeit des Grases) besonders hoch sein kann.

Pferden insbesondere morgens kein Kraftfutter zu geben, sie aber dennoch nicht hungrig auf die Weide zu schicken, sondern vorher noch ausreichend mit Heu zu füttern, gehört als bereits jahrhundertealte Regel ebenso dazu.

Hufrehe ist (abgesehen von der Überlastungsrehe) immer die Folge einer vermehrten Gifteinwirkung auf den Organismus. Die Gifte können von außen kommen (verdorbene oder ungeeignete Futtermittel z.B.). Auch manche Arzneimittel lösen gehäuft Hufrehe aus (z.B. bestimmte Cortisonpräparate), oder aber – und das ist meistens der Fall: die Gifte stammen aus dem Organismus selbst.

Änderungen der Fütterung führen zu Umschichtungen der Dickdarmflora. Was sich so harmlos anhört, ist in Wirklichkeit evtl. billionenfaches Massensterben mit Freisetzung von "Leichengiften". In den Zellwänden der gramnegativen Dickdarmmikroben befinden sich sogenannte Lipopolysaccharide, die – beim Absterben freigesetzt – als Endotoxine den Organismus schlagartig mit Gift überschwemmen und somit Gesundheitsstörungen wie Durchfälle, Koliken, Leberschäden, aber auch Hufrehe auslösen.

Regeln für das Anweiden

  1. Weidezeiten über einen Zeitraum von 3 bis 4 Wochen schrittweise verlängern bis ganztägiger Weidegang erfolgen kann.
  2. Beginnen mit zehnminütigem Weidegang (evtl. nur Grasen an der Hand) für eine Woche.
  3. Danach kann die Weidezeit beispielsweise in der ersten Woche jeden Tag um 5 Minuten, in der zweiten Woche jeden Tag um 10 Minuten und in der dritten Woche jeden Tag um 20 Minuten gesteigert werden.
  4. Damit wäre man nach vier Wochen bei viereinhalb Stunden Koppel und 25 kg Gras angelangt.
  5. Pferde, die angeweidet waren, aber aus irgendwelchen Gründen über einen längeren Zeitraum von etlichen Tagen oder gar Wochen nicht mehr auf der Weide waren, müssen erneut angeweidet werden.
  6. Über die gesamte Weidezeit den Kot kontrollieren. Bei dünner werdendem Kot, Geruchsauffälligkeiten, Auftreten von Kotwasser/Durchfall Weidezeit sofort wieder verkürzen.
  7. Immer: vor dem Weidegang kein Kraftfutter füttern, aber den Pferden morgens Zeit für ausreichende Heuaufnahme geben (mindestens eine Stunde).
  8. Bei bekanntermaßen empfindlichen Pferden (z.B. Hufrehe, Lederhautentzündung, Kolik etc. in der Vorgeschichte) zusätzlich zu den oben genannten Vorsichtsmaßnahmen toxinbindende Stoffe wie Zeolith, Bentonit oder Klinoptilolith füttern.
  9. In der Anweidephase sollte bei allen Pferden die je nach Witterung wechselnden Fruktangehalte des Grases berücksichtigt werden, bei empfindlichen Pferden ist dies ganzjährig ein Muss.

Wieviel Gras frisst das Pferd auf der Weide?

Die auf der Weide aufgenommene Grasmenge ist in der Tat sehr schwer abzuschätzen, denn die Grasaufnahme hängt von verschiedenen Faktoren ab:

  • der Zeitdauer des Weideaufenthaltes
  • der Größe der Fläche
  • der Art und Dichte des Bewuchses
  • der Jahreszeit, z.B. wächst das Gras im Mai und Juni extrem schnell, im Oktober/November nur noch gering.
  • dem individuellen Fressverhalten Ihres Pferdes

Gras ist für Pferde außerordentlich schmackhaft und dementsprechend können Sie davon ausgehen, dass ein Pferd bei freiem Futterangebot in 24 Stunden etwa 2,5% bis 3% seines Körpergewichtes an Trockenmasse Gras fressen wird.

Das bedeutet, ein Pferd von 600 kg Gewicht würde bei freier Aufnahmemöglichkeit schmackhaften Futters rund um die Uhr zumindest 15 kg Trockenmasse fressen. Gras enthält sehr viel Wasser (rund 75 bis 80 %), sodass dieses Pferd bei ganztägigem Weidegang in Offenstallhaltung pro Tag etwa 75 kg Gras in der Originalsubstanz fressen würde (das entspricht dann etwa 15 kg Trockensubstanz), vorausgesetzt Flächengröße und Aufwuchs erlauben dies.

Weil Gras für Pferde so besonders schmackhaft ist, fressen sie bei begrenzter Weidezeit pro Stunde sehr viel mehr Gras, als sie es bei rund um die Uhr Weidezeit tun. Und die Graslänge hat natürlich ebenfalls Einfluss auf die Menge, es dauert naturgemäß länger, 12 kg kurzes Gras (ab 5 cm) zu fressen, als 12 kg längeres (ab 12 cm).

Das individuelle Fressverhalten eines Pferdes schwankt naturgemäß stark, aber mit den folgenden Tabellen erhalten Sie einen durchaus brauchbaren Anhaltspunkt, wie viel Gras Ihr Pferd auf einer gut bewachsenen Weide pro Stunde bei unterschiedlicher Weidedauer frisst.

Aufwuchslänge der Gräser rund 5 cm

Gewicht Pferd1 Stunde3 Stunden6 Stunden12 Stunden 24 Stunden
200 kg2,7 kg2,2 kg1,7 kg1,1 kg1,1 kg
400 kg3,8 kg3,0 kg2,6 kg1,8 kg1,8 kg
600 kg4,2 kg3,5 kg3,0 kg2,5 kg2,5 kg

 

Aufwuchslänge der Gräser rund 10 cm und mehr

Gewicht Pferd1 Stunde3 Stunden6 Stunden 12 Stunden24 Stunden
200 kg4,5 kg3,6 kg3,0 kg2,5 kg1,1 kg
400 kg6,0 kg4,6 kg4,2 kg3,5 kg2,3 kg
600 kg8,0 kg5,8 kg5,2 kg4,7 kg3,5 kg

 

In den Tabellen sehen Sie grobe Mengenangaben, die individuell stark variieren können, aber man kann ganz gut einen Trend erkennen: je kürzer die Weidezeit, desto mehr Gras wird pro Stunde gefressen.

Beispielrechnung zur Grasaufnahme

Ein Pferd mit einem Gewicht von 600 kg frisst auf gut bewachsener Weide (über 10 cm Aufwuchslänge) bei sechs Stunden Weide rund 30 kg Gras! Entsprechend muss Heu und Krippenfutter abgezogen werden.

Faustregel hierfür:

4 Kilo Gras ersetzen 1 kg Heu
oder
4 Kilo Gras ersetzen 500 g Hafer

Eine Mindestmenge an strukturierter Rohfaser ist notwendig. (= Heu oder bei 24-stündigem Weidegang kann auch Stroh zugefüttert werden)

Take Home Message

Vorsicht ist besser als Nachsicht. Je kürzer und jünger das Gras, desto mehr Eiweiß und Zucker enthält es. Dementsprechend ist es sinnvoll zu warten, bis das Gras mindestens 20 cm hoch ist.

Auch Gras liefert Energie (und Eiweiß)

Für Sportreiter fällt die Anweidezeit meistens genau in den Beginn der grünen Saison und auch Freizeitreiter nutzen das gute Wetter, um wieder mehr Zeit mit ihrem Pferd zu verbringen.

In dem Fall steht dem Mehr an Energie und Eiweiß, das das Pferd über das Gras aufnimmt, auch ein Trainingsanstieg entgegen. Dennoch ist nicht zu unterschätzen wie viel Energie und Eiweiß mit der Grasaufnahme verbunden ist.

Hier ein Rechenbeispiel: Ein 600 kg schweres Pferd nimmt bei einer Fütterung von z.B. 11 kg Heu und 2 kg Hafer rund 102 MJ verdauliche Energie und 1030 g Eiweiß auf. Nun kommt unser Beispielpferd auf eine gepflegte Weide und frisst dort innerhalb von 3 Stunden etwa 17 kg Gras. Das bedeutet eine Mehraufnahme von 35 MJ Energie und 460 g Eiweiß. Wird bei zusätzlichem Weidegang von der Fütterung nichts abgezogen, würde unser Beispielpferd in der Koppelsaison auf einmal 1,35-mal soviel Energie und Eiweiß wie davor erhalten.

Dieses Mehr an Energie und Eiweiß ist mit vermehrtem Training nicht abzufangen, sodass bei Koppelgang ein Teil der bisherigen Stallration (entsprechend der möglichen Grasaufnahme) reduziert werden muss. Graslänge (Bewuchs), Zeitdauer des Weideganges und individuelles Fressverhalten geben die abzuziehenden Mengen vor, siehe Tabelle.

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