
Stallgeflüster von Dr. Dorothe Meyer
Wer Pferde hat, ist nicht immer so ganz rational in seinen Entscheidungen. Viele schon, muss ich bewundernd anerkennen.
Doch ich gehöre zu denen, die für eine völlig irrationale Entscheidung anschließend eine gute Begründung finden müssen. Klappt meistens, zumal ich – sofern kein Pferd im Spiel ist – bekannt für sehr rationale Entscheidungen bin.
Unser Superbuschi Grand-Prix iWEST® z.B. flog mit Pauken und Trompeten durch die Ankaufsuntersuchung und da hörte ich mich doch tatsächlich sagen: »den kaufen wir«.
In diesem Fall hatte ich für mein mich nachdenklich ansehendes Umfeld sofort die Superbegründung: will nur mal ausprobieren, ob ihm unser Magnokollagen® hilft. Es hat, das Problem der AKU ist beseitigt. Die verbliebenen Problemchen haben eher etwas mit Erziehung zu tun, wie sein sofortiges Zerstören von Reißverschlüssen.
Ähnlich lief es bei unserer Lillyfee. Zuerst hatte ich sie krankgeschrieben, dann brachte ich für sie Klinikpackungen Gastrogard und einen Rieseneimer Magnoguard (da gehörte sie uns noch nicht, aber es musste meiner Meinung nach sofort etwas getan werden) und hörte mich nach einigen Wochen – es hatte sich wundersamerweise immer noch kein Käufer gefunden – erneut sagen »die kaufen wir«.
Diese Gewohnheit von mir ist nicht neu, das geht seit 5 Jahrzehnten so. Unter anderem war auch eine Trakehnerstute mit nur einem Auge, dafür zwei extrem schnellen und sehr gefährlichen Hinterbeinen und – on top - übelstem chronischem Husten dabei.
Gedankt haben es die Pferde, wenn man das so sehen will, bisher alle. Grand-Prix, alias Gumpi wurde ein sehr, sehr gutes Vielseitigkeitspferd, der heuer – Daumen drücken – seine erste 3-Sterne-Prüfung in Marbach laufen soll.
Die Trakehnerstute zwang mich über Kräuter nachzudenken, so entstand Plantagines + C (siehe iWEST® News 2/2007) und wurde Zuchtstute. Ihre Tochter von dem Ibikus-Sohn Santiago ist mit ihren nunmehr 29 Jahren eine ganz große Persönlichkeit in unserem Stall und war früher die Lebensversicherung unserer Kinder.
Auch deren Tochter von Tolstoi ist nicht nur hübsch, sondern auch sehr rittig und hat Staatsprämie. Sie wiederum schenkte uns von Imperio ein wunderschönes Stutfohlen, das meine (ehrliche!) Absicht, sie zu verkaufen, durch ihr Benehmen Dritten gegenüber allerdings sehr erfolgreich konterkarierte. Mir gegenüber eine liebenswürdige Lady, kam – war ich nicht im Stall – das Erbe ihrer einäugigen Urgroßmutter durch. Zielsicherheit inklusive, sie traf immer.
Wobei sie sich nicht nur auf den Einsatz der Hinterhand konzentrierte, sie biss auch; beherzt und unvermittelt.
Dieses Charakterpferd paarte ich mit Morricone an. Unser Stallmeister war von meinem Treiben wenig begeistert und wurde, je näher der Geburtstermin rückte, immer schweigsamer. Ein wahrhaft heroischer Mensch, wähnte er sich doch gedanklich bereits dem sicheren Heldentod ausgeliefert, sobald das Fohlen da wäre.
Comtessa, wie diese Zierde der trakehnischen Pferdezucht heißt, fohlte in den frühen Abendstunden ab und als nach üppigem Abendrot ein heller Vollmond aufging, hatte die Kleine auch schon ihren Namen weg:
Mondfee. Sie verzauberte (Feen können zaubern) anscheinend auch gleich die Mama, denn Comtessa war von Stund an zu jedermann überaus liebenswürdig und zuvorkommend. Normalerweise habe ich es ja nicht so mit Fohlenschauen (zu stressig für die Pferde, schreit mein weiches Herz), aber Morricone ist »nur« ein halber Trakehner, also mussten Comtessa und ihr Töchterchen nach Riem zur Vorstellung und Eintragung bei den Süddeutschen.
Comtessa gefiel hervorragend und unsere kleine Mondfee wurde als Zugabe auch noch Siegerfohlen. Das, muss ich sagen, hat mich dann doch ein wenig stolz gemacht: die Ururgroßmutter aus Mitleid gekauft, die Urgroßmutter, die Oma und die Mama selbst gezogen und die Kommission bestätigt meine Entscheidung. Klar, meine Entscheidung für Ururoma vor 40 Jahren war einfach nur ungemein weitsichtig…